Neumarktkirche in Merseburg Neumarktkirche in Merseburg: Kleinod im Schatten des Dombergs

merseburg - Es ist eine kleine Kirche mit einer faszinierenden Geschichte, die den Wissenschaftlern noch immer Rätsel aufgibt: die Neumarktkirche in Merseburg. Buchstäblich im Schatten des berühmten Dom- und Schlossberges gelegen, wurde ihr vor zwei Jahren im Schlossmuseum eine hochinformative Ausstellung gewidmet. Anlass war das 825-jährige Jubiläum des 1188 in einer Urkunde von Kaiser Friedrich Barbarossa erstmals erwähnten Kirchleins. Die in der Schau vermittelten Erkenntnisse sind nun, erheblich erweitert, eingeflossen in eine umfangreiche, reich illustrierte und vom Förderkreis Museum Schloss Merseburg herausgegebene Publikation.
Bauwerk wurde 1973 aufgegeben
Wir können von Glück sagen, dass die Neumarktkirche erhalten geblieben ist. 1973 von der Gemeinde wegen Baufälligkeit aufgegeben, kam die politische Wende und die deutsche Einheit für das inzwischen ruinöse Bauwerk gerade noch rechtzeitig: Zwischen 1991 und 1995 umfassend restauriert, ist die Neumarktkirche heute ein Kleinod entlang der an bemerkenswerter Sakral- und Profan-Architektur reichen Straße der Romanik.
Eingangs des Bandes stellt Markus Cottin die Barbarossa-Urkunde von 1188 vor, in der die „Kirche des seligen Märtyrers Thomas“ zum ersten Mal bezeugt ist. Reinhard Schmitt beleuchtet anschließend deren Baugeschichte, die mit Grabungen durch das Institut für Denkmalpflege Halle in den späten 1980er Jahre zu erforschen begonnen wurde. Reinhard Rüger und Peter Ramm wiederum erinnern an die Restaurierung des Gotteshauses Anfang der 1990er Jahre.
Thomas Becket als Patron
Einem spannenden Thema, das 2013 auch im Zentrum der Ausstellung stand, geht Stefan K. Langenbahn nach: Wie kam es, dass mit Thomas Becket (1118-1170), dem Erzbischof von Canterbury, ein zeitgenössischer Heiliger Patron einer Kirche in Deutschland wurde? 1170 in der Kathedrale von Canterbury ermordet, wurde Thomas bereits 1173 als Märtyrer heiliggesprochen. Die maßgebliche Initiative für das Patronat in der Saalestadt könnte, so Langenbahn, von dem Becket-Verehrer Eberhard von Seeburg, der zwischen 1171 und 1201 als Merseburger Bischof amtierte, ausgegangen sein.
Das alte Gemäuer ist, wie Karin Heise darlegt, auch ein Ort für zeitgenössische religiöse Kunst. Zu den beeindruckenden Werken zählen hier die „Große Kreuzigungsgruppe“ (1995) von Klaus Friedrich Messerschmidt - deren Hintergrund als Flügelaltar gestaltete Stirnseiten eines Güterwaggons bilden - und das „Große Kruzifix oder Die Maßnahme“ (2006) von Gabriele Messerschmidt, das als Triumphkreuz in der Vierung hängt, sowie deren Reliefarbeit „Thomas von Canterbury vor seinem Schöpfer“ (2005).
„Die romanische Neumarktkirche zu Merseburg und ihr Patron Thomas Becket von Canterbury“, 240 S., 18,50 Euro. Erhältlich ist das Buch in der Dom- und Schloss-Information Merseburg. (mz)