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Neugierig bleiben Neugierig bleiben: Claudia Michelsen über Arbeit, Erfolg und Polizeiruf

Von Andreas Montag 27.06.2014, 19:17
Die Kommissare Brasch (Claudia Michelsen) und Drexler (Sylvester Groth) bei der Arbeit
Die Kommissare Brasch (Claudia Michelsen) und Drexler (Sylvester Groth) bei der Arbeit mdr/oliver feist/wikipedia Lizenz

Berlin/MZ - Ein sonniger, warmer Vormittag im Herzen des Berliner Westens und eine Verabredung zum Interview mit Claudia Michelsen - so stellt man sich die Arbeit des Reporters gern vor. Ein bisschen Nervosität gehört auch dazu, aber die Begegnung ist ganz und gar unkompliziert: Ein freundliches, offenes Lächeln gibt es für den Fremden, Händeschütteln. Ein Star in Jeans und T-Shirt, an den Füßen eine Leichtigkeit von Sandalen. Und keine Spur von Eitelkeit.

Der erste Eindruck wird sich bestätigen, Claudia Michelsen ist verbindlich und hellwach, sie antwortet konzentriert und direkt, auch nachdenklich. Die eine, in Stein gemeißelte Wahrheit ist ihre Sache nicht. Selbstbewusst und klug ist diese Frau. Skeptisch manchmal. Und immer neugierig auf das, was ihr noch begegnen wird. Neugier - das ist ein Schlüsselwort für sie.

Wir trinken Pfefferminztee, im Garten zwitschert das Vogelvolk seine Lebensfreude in die Welt. Und dabei haben wir zunächst über einen Kriminalfilm zu reden, „Abwärts“ heißt die zweite Folge des „Polizeirufs“ aus Magdeburg, in dem Claudia Michelsen und Sylvester Groth ein ungleiches Ermittlergespann spielen. Am 6. Juli wird der Film im ARD-Programm gesendet - wieder, wie schon beim ersten Mal, geht es um junge Menschen in Not. Jetzt aber fällt der Auftritt von Michelsen alias Hauptkommissarin Brasch etwas weniger furios aus als zum Auftakt. Da bretterte sie gleich zu Beginn mit dem Motorrad eine Treppe hinab, dass einem angst und bange werden konnte.

Temperament beglaubigt

Gleichwohl schafft es dieser zweite Fall, in dem es um einen Sozialarbeiter geht, dessen Klienten in einen Mord verstrickt sind, die Spannung zu halten - und das Interesse an den Hauptfiguren wachzuhalten: Hier die impulsive, emotionale Brasch und dort Drexler, ihr knurriger, bürokratischer Kompagnon. Die Neugier bleibt, Frau Michelsen hört es gern: „Das ist gut“, sagt sie und wirkt tatsächlich ein bisschen erleichtert.

„Ich finde es spannend, in alle Richtungen gehen zu können“, beschreibt sie ihr Gefühl für diesen neuen Film, der den temporeichen ersten ohnehin nicht hätte überholen können. Auch nicht in Sachen persönlicher Katastrophen: Zum Auftakt, als es um junge Neonazis und ihre gutbürgerlichen Sympathisanten ging, hatte die Ermittlerin Brasch mit Entsetzen feststellen müssen, dass ihr eigener Sohn bei den Schlägern mitmischte. Dieses Mal spielt Braschs private Geschichte nur eine kleine Rolle und die Ermittlerin teilt weniger aus. Dass sie ihre Kraft allerdings nicht eingebüßt hat, belegt eine eindringliche Szene, in der die Ermittlerin buchstäblich auf den Tisch haut und damit ihr Temperament beglaubigen darf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über „ein Krümelkacker und Erbsenzähler“

„Brasch ist für mich eine sehr besondere Figur: Eine Frau, die den direkten Weg geht und dabei immer wieder Grenzen überschreitet“, sagt Claudia Michelsen und lobt das Autoren- und Regiegespann Friedemann und Christoph Fromm. Auf deren Kappe war der erste Magdeburger „Polizeiruf“ gegangen. Zwei „tolle Figuren“ hätten die beiden entworfen, „wie eine Choreografie, in der man sich dann frei bewegen kann“.

Sie, Michelsen wie Groth, spielten das mit viel Neugier und überraschten sich auch selbst. Auch Drexler, der ja eine richtige Büroklammer ist, „ein Krümelkacker und Erbsenzähler“, hat wunderbare Szenen dabei.

Zum Beispiel, wenn er sein Auto wieder einmal nicht in Gang bringt, es aber stoisch weiter versucht, während man eigentlich jeden Moment damit rechnet, dass die Brasch neben ihm explodiert. Sie tut es nicht. Einmal wird auch Drexler das Publikum mit einem Ausbruch an Gefühl überraschen, ein anderes Mal bindet er sich im Dienst plötzlich ungerührt eine andere Krawatte um.

„Es ist großartig, mit Sylvester zu arbeiten, weil er mich immer wieder überrascht“. Claudia Michelsen hat selber viel Spaß an dieser Arbeit. Anders will sie es sich gar nicht vorstellen. Selber neugierig zu bleiben und den Zuschauern ihre Neugier zu erhalten - so wünscht sich die Schauspielerin den Fortgang der Dinge. „Wenn die Leute keine Lust mehr auf uns haben, hören wir auf.“

Berechenbarkeit und Langeweile sind ihr unerträglich. Ebenso die Vorstellung, nichts anderes als den „Polizeiruf“ zu drehen. „Man muss verreisen und Neues im Gepäck mitbringen“, sagt Michelsen. Ob sie ein solcher Ausflug auch wieder auf eine Bühne führt, wo ihre Karriere begonnen hat? Da ist die Schauspielerin einen sympathischen Moment lang verlegen: „Ich war unglaublich jung und sehr erfolgreich“, sagt sie. „Dann war mir das zu viel, ich fand auch Berlin Mitte der 90er Jahre unerträglich, die Leute hatten mit einem Mal nur noch mit sich zu tun.“

„Das geht so schnell ...“

Alles war unsicher geworden, der Markt unübersichtlich. Claudia Michelsen ist fortgegangen, bis nach Amerika, an der Seite ihres ersten Mannes. In den USA war es schwierig für sie in ihrem Beruf, sie sprach wenig Englisch, niemand kannte sie. Also hat sie weiter in Deutschland gearbeitet, die Filmkarriere begann. „Aber die Sehnsucht nach dem Theater ist nicht tot, sie ist immer noch da“, sagt sie. „Aber ich habe auch Angst davor, obwohl die Kollegen sagen, das Theaterspielen verlernt man nicht, das ist wie Schwimmen.“

Ohne Theater kann man nicht leben - was sagt sie zu diesem Satz? Sie staunt. Unzeitgemäß findet sie ihn nicht. Aber man hört ihn seltener. Vielleicht auch, weil es manchmal recht laut zugeht in der Eventgesellschaft. Freilich, sie würde es schon gern versuchen mit dem Theater. Es reizt sie. Aber da sind auch Bedingungen: Claudia Michelsen möchte nicht weg von Berlin, nicht länger jedenfalls, als unbedingt nötig. In Berlin lebt sie nach ihrer letzten Trennung allein mit den beiden Töchtern, die ältere ist eben 17 geworden. „Das geht so schnell, man dreht sich zwei Mal um, sind sie schon aus dem Haus“.

Berg- und Talfahrten

Deshalb geizt Claudia Michelsen mit ihrer Zeit. „Kein Film der Welt“ ist ihr so viel wert wie das Zusammensein mit ihren Kindern. Und wie ist es mit der Großen - zieht es sie auch zur Schauspielerei? „Sie hat eine Neugier“, sagt Claudia Michelsen. Da ist es wieder, dieses Wort, das wie ein Leitmotiv für sie ist. „Natürlich bin ich versucht zu sagen, lass das...“, fügt sie hinzu. „Aber der Beruf hat ja auch wunderbare Seiten.“ Claudia Michelsen hat Vertrauen zu ihrer Tochter: „Die will verschiedene Sachen ausprobieren, das ist das Besondere an diesen neuen, nachwachsenden Generationen.“ Ihre eigene Mutter habe seinerzeit gesagt: „Wenn Du das unbedingt machen willst, dann mach es“. So wird es Claudia Michelsen nun auch mit ihrem Kind halten, ein leiser, selbstironischer Seufzer klingt dabei mit: „Die Gelassenheit habe ich mir erarbeitet“.

Also muss man sie sich wohl als glücklichen Menschen vorstellen? „Ich bin im Moment sehr glücklich. aber ich habe natürlich Berg- und Talfahrten hinter mir - wie jeder andere auch.“ Sie bereut das nicht. „Jede Talfahrt ist auch eine Lehrstunde“, sagt sie fest. Und fügt einen Satz hinzu, der ihr Wahlspruch sein könnte: „Hauptsache, man bleibt wach und lebendig.“

Schauspielerin Claudia Michelsen
Schauspielerin Claudia Michelsen
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