Neues Theater in Halle Neues Theater in Halle: Der nackte Wahnsinn
Halle (Saale) - Der zweite Name des Schauspielers ist Komödiant. Selbst wenn es um den Ernst der Tragödie geht. Im Falle von Michael Frayns 32 Jahre altem Schenkelklopfer „Der nackte Wahnsinn“ ist das nicht so.
Er bietet und fordert nämlich genau das, was der Titel verspricht: Den nackte Wahnsinn…. des Theaters könnte man fortsetzten.
Hier braucht es Akteure, die die sprichwörtliche Sau rauslassen. Ein Testfall für jeden Mimen, wie weit er sich von der Leine lassen und über dem Ernst des Genres schweben kann. Und für das Ensemble, ob es so miteinander kann, dass sich die Balken biegen.
Auf der Bühne und im Saal
Was in einem Provinztheater so abgeht, wenn die Zeit knapp wird für Proben, die Nerven blank liegen und auch noch das private Wer-mit-Wem dazwischen funkt, wird drei Mal vorgeführt.
Einmal kurz vor der Premiere, dann backstage während der Tournee und schließlich bei der letzten Vorstellung, in der die Inszenierung nur noch mit Mühe zu erkennen ist und wirklich alles schief geht.
Wirklich witzig war die krankheitsbedingte Verschiebung des Premierentermins bestimmt nicht. Selbst wenn es den Inhalt in Halle unfreiwillig in die Theaterwirklichkeit verlängert.
Umso faszinierender das Ergebnis auf der Bühne, von der der Funke sofort überspringt! Zumindest auf die Zuschauer, die bereit sind, sich von Spiellust und Tempo, abgefeuerten Kalauern und treffenden Pointen hinreißen zu lassen.
Die sind bestens aufgehoben in Claudia Charlotte Burchards Bühne mit Sofa, Nierentisch, Kofferfernseher, Treppe und den unvermeidlichen acht Türen.
Samt lächelnder Queen an der Wand und dem pinkigen Farbgeschmack. Zu der Steilvorlage einer uhrwerkpräzisen Komödienmechanik steuert Regisseurin Henriette Hörnigk die perfekte Choreographie bei.
Da versucht Harald Höbinger als Regisseur Lloyd, im Chaos den Überblick zu behalten, wenn Danne Suckel als Dotty die Haushälterin spielt und dauernd den Sardinenteller vergisst oder bringt.
Da spielt Alexander Pensel furios als Garry den Makler, der es sich mit seiner Flamme Brooke hier gemütlich machen will. Sonja Isemer ist diese grandios stöckelnde Blondine, der immer mal die Kontaktlinsen rausfallen - die beiden schießen den Komödienvogel ab.
Klar, dass die Hausbesitzer dann doch auftauchen, obwohl Matthias Walter und Bettina Schneider auf der Flucht vor der Steuer sind.
Peter W. Bachmann als Senior der Truppe ist meist näher an der Flasche als an seinem Stichwort für den Auftritt als Einbrecher.
Und da würde nichts funktionieren, würden nicht Petra Ehlers als Regieassistentin oder Andreas Range als Inspizient einspringen, wenn die Stars mal wieder zu sehr mit ihren Affären beschäftigt sind.
Grandios sind sie an diesem Abend alle. Eine durchchoreographierte Applausordnung versteht sich von selbst. (mz)