Herbert Fritsch Neues Stück von Herbert Fritsch : Ein "Pfusch" in der Kulturpolitik

Berlin - Nein, der Pfusch ist nicht nur auf den Bau beschränkt. Auch in der Politik wird gern mal gepfuscht, besonders leidenschaftlich geht es zur Sache, wenn die Kultur betroffen ist. Weil dann die Probanden, also die Künstler und ihr Publikum, mit heißen Herzen gegen das kühle Teflon bürokratischer Arroganz prallen, die Allwissenheit vortäuscht, an die doch aber sowieso niemand glaubt.
Von Halle nach Berlin: Fritsch geht an die Schaubühne
Der Regisseur Herbert Fritsch, den man auch von seiner Gast-Arbeit am Neuen Theater in Halle kennt und der ein Star in der deutschen Hauptstadt ist, hat den „Pfusch“ jetzt kurzerhand und hochvergnüglich zum Thema seiner letzten Inszenierung für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gemacht. Mit dem langjährigen Intendanten Frank Castorf geht auch Fritsch: Castorf (theoretisch) in den Ruhestand, Fritsch an die Schaubühne im Westen der Stadt. Die Volksbühne indes steht, wie viele befürchten, vor einer ungewissen Zukunft als „Eventbude“ und Tingeltangel. Davon handelt das Stück, für das der Regisseur Fritsch auch als Autor und Bühnenbildner Verantwortung trägt.
Sachsen-Anhalt in Dingen der Kulturfinanzierung auf negativem Weltniveau
Man muss freilich nicht nach Berlin fahren, um Pfusch an der Kunst zu erleben. In Sachsen-Anhalt bewegte man sich in der vorigen Legislaturperiode mit den, aufs finanzielle Ganze betrachtet, lächerlichen und kulturpolitisch abenteuerlichen Einsparungen bei den Theatern schon auf Hauptstadt- ja, fast auf Weltniveau, von dem Walter Ulbricht immer träumte für sein armes, kleines, von ihm selbst eingemauertes Land DDR.
Michael Müller will Belgier Chris Dercon als Nachfolger für Castorf
Der Pfusch hat eine lange, ruhmlose Tradition, die ungebrochen bis in die Gegenwart reicht - zumal in der Hauptstadt, wo Bundes- und Landesinteressen mitunter eng beieinander auf einem Teller liegen, aber mit unterschiedlichem Besteck bearbeitet werden. Und schon die Berliner selbst sind sich meist nicht grün, wenn es um die Verteilung geht. Dabei gerät schon mal eine Gabel in des einen oder anderen Handrücken. Dann gibt es Geschrei, aber was einen richtigen Entscheider auszeichnet: Das sitzt er aus. Berlin regierender Bürgermeister, der Sozialdemokrat Michael Müller zum Beispiel. Der will an seiner Wahl des belgischen Museumsmannes Chris Dercon zum Nachfolger von Frank Castorf nicht rütteln lassen.
„Pfusch" und „schön" in Fritsch neuem Werk
Dies ist eine der Personalien, die Berliner Kunstfreunde seit Monaten erbittern. Die andere, auch ziemlich einsam in Hause Müller verabredet, betrifft die Choreografin Sasha Waltz, die das Berliner Ballett übernehmen soll: Tanztheater trifft „Schwanensee“ heißt die spannende Konfrontation, die auch zu einer Explosion führen kann. Ganz ohne Not ist diese, alle Beteiligten beschädigende Lage entstanden: Man hätte der herausragenden, nach der verstorbenen Pina Bausch international bekanntesten deutschen Tanz-Kreativen auch eine andere Lösung anbieten können, um sie an Berlin zu binden.
Für Herbert Fritsch ist das alles „Pfusch“, ohne, dass er es so direkt formulierte. Überhaupt gibt es nur wenige Worte in diesem intelligenten, dadaistisch anmutenden Klamauk: „Schön“, rufen die Darstellerinnen und Darsteller enthusiastisch, sämtlich haben sie hübsche, absichtsvoll billig aussehende Fummel an bei dieser Travestie der besonderen Art. Und dem schwarzen Mann ist zum Kleidchen, das er trägt, auch noch ein weißes Gesicht geschminkt worden.
Fritsch Vorstellungen sind ausverkauft
Erst treten sie zögernd und tänzelnd hervor aus einem Rohr, das ein Geburtskanal sein kann oder der Dienstweg, auf dem den Künstlern das Neueste aus der Politik mitgeteilt wird. Später hämmert das Ensemble minutenlang auf einem knappen Dutzend Klavieren herum, sehr synchron, sehr kunstvoll und auch sehr anstrengend. Zum Schluss aber geht man, grotesk verrenkt, baden in einem Pool voll azurblauen Schaumstoffs. Und, die böseste Pointe: Das Sprungbrett bricht bei erster Benutzung einfach ab.
Fritsch zieht den ganzen Pfusch, der noch kommen mag, durch den Kakao. Und er feiert seine Künstler, das Publikum tut es ihm gleich. Die kommenden Vorstellungen sind jedenfalls längst ausverkauft. (mz)