Neues Museum in Marbach Neues Museum in Marbach: «Sichtglas ins Herz der Literatur»

Marbach am Neckar/dpa. - EineWoche lang präsentieren der britische Architekt David Chipperfield und sein Team den Säulenbau aus grauem Beton, Filz, Glas undbrasilianischem Ipê-Holz aus nachhaltiger Tropenforstwirtschaft. Erstin den kommenden Monaten füllen sich die sechs Ausstellungshallen mitInhalten zur Literatur vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Am 6.Juni will Bundespräsident Horst Köhler das Haus feierlich eröffnen.
«Sehr dunkel und bedrückend» und «bunkerartig», meinen einigeBesucher. Doch Chipperfield verteidigt die Dunkelheit: «Wir wusstenvon Anfang an, dass es um Dunkelheit geht, da viele Exponatelichtscheu sind.» Kunstlichträume wechseln sich mitlichtdurchfluteten Gängen und Hallen ab. Die meisten Wände in demHaus mit seinen ganz unterschiedlichen Deckenhöhen sind aus demtiefbraunen Ipê-Holz. Es sollte kein weißes Museum sein, wie es jederkenne, sagt der Architekt, der auch an der Renovierung der BerlinerMuseumsinsel mitwirkte.
Und Atmosphäre komme auch durch Dunkelheit, betont sein KollegeAlexander Schwarz. Für die Vitrinen aus Glas werde der dunkleHintergrund ideal sein. Der von Säulen und Terrassen umgebene Bauliegt an einem Hang und bietet Besuchern von der Schillerhöhe ausAusblicke in die Landschaft des Neckartals mit Weinreben und einemKraftwerk.
Das mit zwölf Millionen Euro von Bund und Land Baden-Württembergfinanzierte Museum trage noch zur Bedeutung Marbachs als Zentrum desliterarischen Lebens bei - neben dem hier seit 50 Jahren ansässigenDeutschen Literaturarchiv und dem rund 100 Jahre alten Schiller-Nationalmuseum, wie Direktor Ulrich Raulff sagt. Mit dem Neubau istdie Nutzungsfläche für Archiv und Museum um 3800 Quadratmetergewachsen, davon stehen allein 1000 Quadratmeter für Dauer- undWechselschauen sowie für einen Vortragssaal bereit.
Im LiMo sind rund 600 Quadratmeter der Dauerausstellungvorbehalten, die aus den mehr als 1200 Schriftsteller- undGelehrtennachlässen des Archivs bestückt wird. Unter denbedeutendsten Exponaten sind die Manuskripte von Franz Kafkas«Proceß», Alfred Döblins «Berlin Alexanderplatz» und MartinHeideggers «Sein und Zeit», dazu Gedichthandschriften Hugo vonHofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Gottfried Benn und Paul Celan,Briefe von Hermann Hesse, Thomas Mann, Sarah Kirsch und Arno Schmidt.Ausgestellt werden aber auch Abiturzeugnisse, Identitätsausweise undNotizbücher, historische Tonaufnahmen, Kleidungsstücke undTotenmasken, private Fotoalben und Bibliotheken der Dichter.
Auf weiteren 400 Quadratmetern sind Wechselausstellungen geplant,in diesem Jahr zu Gottfried «Benns Doppelleben» (7. Juli bis 27.August) und Hannah Arendt (5. Oktober bis 26. November). Und vom 11.November bis 29. Januar 2007 zeigt das Museum «Ein deutschesPantheon. Fotografien von Dichtern und Denkern aus dreiJahrhunderten».
Die Ausstellungen und Veranstaltungen auf der Schillerhöhe sollensich in den kommenden Jahren weniger als früher auf Autoren und derenLeben konzentrieren, sagt Museumschefin Heike Gfrereis. Vielmehrstehe die Literatur selbst im Zentrum, also die Entstehung vonTexten, die Erfahrungen und Denkweisen in der Kulturgeschichte,poetische Formen, in denen Ideen überliefert werden. Autoren sollenin dem «Schatzhaus der neuen deutschen Literatur» ihreProduktionsprozesse öffentlich machen. Das Deutsche LiteraturarchivMarbach soll sich zudem künftig stärker nach außen öffnen, kündigteRaulff an.
Nicht nur das LiMo soll helfen, künftig doppelt so viele wie diebisher 20 000 Besucher anzulocken. Künftig will Raulff auf derSchillerhöhe jedes Jahr im Januar ein Programm für das gesamte Jahrpräsentieren. In diesem Jahr steht es unter dem Leitspruch «Zeigen»und erreicht einen Höhepunkt mit einer großen Sonderschau über denLiteraten Arno Schmidt (1914-1979) im Schiller-Nationalmuseum vom 30.März bis 27. August.