Neuerscheinung Neuerscheinung: Menschen, Katzen und Morde
Halle/MZ. - Freilich erfüllt der kleine Text, der dem eben erschienenen Prosaband den Namen leiht, den Anspruch "schöner Geschichten" nicht wirklich - es ist eine launige Miniatur, keine Erzählung, und sie handelt tatsächlich von nicht mehr als dem Umstand, dass einem manchmal ein Speiserest zwischen den Zähnen haftet, dem partout nicht beizukommen ist. Gewiss ein Problem, das Beachtung verdient, ein Anlass zum Erzählen ist es eher nicht, heißt man nicht Proust.
So findet Krug seine wahre Form in den pointierten, skurrilen, schwarzhumorigen Geschichten, die er mit Lust an süffisanten Genrebildern und fabelhaften Eskalationen vorträgt - etwa in "Die Katze", dem schönsten der versammelten neun Texte. Darin verliebt sich der Erzähler in die zauberhafte Katze seiner Nachbarin, einer rubenshaften Redakteurin namens Erika Löhlein, an deren draller Körperlichkeit er im Übrigen durchaus Gefallen findet.
Von Anfang an besteht eifersüchtige Spannung zwischen den beiden - was am jeweiligen Anspruch auf die Katze liegt, den Frau Erika als Besitzerin des Tieres selbstverständlich zuerst geltend macht. Der Erzähler geht subtiler und konspirativer vor - dafür umso kompromissloser in seiner Liebe zu dem Tier, das er Missis nennt, sie Kimbali. Aber, wer wie Krug die Katzen kennt, wird es wissen: Katzen entscheiden solche Fragen selbst. Man kann sie zur Liebe weder überreden noch zwingen. Nicht einmal korrumpieren. Das haben sie uns Menschen voraus.
Sehr schön, wie der Autor hier durch die finsteren Wälder des Unterbewussten spaziert, den Leser fest am Nasenring. Und Herr Freud schaut durchs Geäst, bis endlich Blut geflossen ist. Man denkt gelegentlich an die irrlichternde Prosa des großen Helmut Heißenbüttel. Auch die Geschichte vom "Herrn Oswald" passt in diesen Streifen: ein braver Gärtner, seiner Herrschaft treu ergeben und tief in sich die Lust, einmal im Leben scharf zu schießen. Das tut er dann auch, mit aller Gründlichkeit, zu der er sich in seinem Dienerstand verpflichtet sieht.
Durchaus nicht immer heiter, die Tragödie lieber sarkastisch besingend als auf die moralische Pauke zu hauen - so funktionieren die besseren dieser Stücke, auch das vom traurigen, lispelnden Schauspieler, der seine Erfüllung spät als komischer Vogel in einer riesigen Kuckucksuhr findet. Und man weiß nicht genau, ob nicht der Konstrukteur dieses Wunderwerks der verrücktere von beiden ist.
Krugs Geschichten, auf reichlich hundert Seiten übersichtlich gesetzt, sind ein Vergnügen für einen Herbstabend im Schaukelstuhl, Kaminfeuer und ein Glas guten Rotweins können als Beigabe empfohlen werden. Und nicht vergessen, vorher die Zähne zu putzen. Falls Ihnen vom Abendessen irgendetwas Unaussprechliches zwischen den Zähnen hängt.