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Neuerscheinung Neuerscheinung: «Der Ossi ist zum Kotzen - wie der Wessi»

Von Wilfried Mommert 15.08.2005, 10:21
Das Kabarett soll auf der Höhe der Zeit sein, daswar im Osten nicht anders als im Westen und ist im vereintenDeutschland sicherlich noch immer gültig. So nimmt es nicht Wunder,dass das jüngste Buch des Berliner «Distel»-Autors Peter Ensikat mitseinen «gesammelten Erkenntnissen» über Ossis und Wessis bei den imMoment wieder einmal hochschlagenden Wogen über deutsch-deutscheBefindlichkeiten gerade zur rechten Zeit kommt. (Foto: dpa)
Das Kabarett soll auf der Höhe der Zeit sein, daswar im Osten nicht anders als im Westen und ist im vereintenDeutschland sicherlich noch immer gültig. So nimmt es nicht Wunder,dass das jüngste Buch des Berliner «Distel»-Autors Peter Ensikat mitseinen «gesammelten Erkenntnissen» über Ossis und Wessis bei den imMoment wieder einmal hochschlagenden Wogen über deutsch-deutscheBefindlichkeiten gerade zur rechten Zeit kommt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin (dpa) - «Die Frage, warum der Ossi ist, wie er ist, muss sich keiner mehrstellen, weil inzwischen alle wissen, dass er einfach zum Kotzen ist.Dieselbe Antwort hat die andere Seite für den Wessi gefunden»,schreibt Ensikat. Noch immer wisse der Fachmann im Westen, «was derLaie im Osten unter seiner Anleitung falsch macht». Überhebliche«Idioten» gebe es auf beiden Seiten, wie zum Beispiel jenen MünchnerJournalisten, der meinte, «mit dem im Osten lebenden Volk - Pack hater nicht gesagt - sei kein Staat zu machen». Solche «- mit Verlaub -Idioten hatten wir im Osten auch ohne Wiedervereinigung schon mehrals genug». Viele dächten wie er, meinte der Münchner, was Ensikatunterstreicht. «Aber ein gnädiges Schamgefühl hält sie davon ab, dasin die laufende Kamera zu sagen.» Zu sagen, was man denkt, täten inder Regel nur pensionierte Politiker.

Ensikat konstatiert im Westen einen «Stolz auf die demokratischeVergangenheit einer gemütlichen Bundesrepublik, die man sich jetztnicht kaputtmachen lassen will von diesen hergelaufenenSozialfällen». Für ihn gebe es im übrigen eine allgemein gültigeWahrheit für jede Gesellschaft, meint Ensikat: Um sich einigermaßenmenschlich verhalten zu können, brauche man eben auch einigermaßenmenschliche Verhältnisse. «Wer nie im Glashaus saß, der hat leichtSteine werfen.»

Plötzlich fühlten sich alle wieder als Opfer. Aber gelogen wordensei auf beiden Seiten. «Wir waren nicht nur die unterdrückten, Notleidenden Opfer, die in Geiselhaft gehalten wurden. Auch in der DDRwurden wir schließlich nicht gelebt. Wir haben gelebt.» Er habe sichin 40 Jahren an eine schleichende Entmündigung gewöhnt, «die ich niehätte akzeptieren dürfen». Er und andere Kollegen hätten in einer«Sklavensprache geschrieben, unsere windelweichen Halbwahrheitendurch die Blume der Zensur geflüstert». Viele DDR-Bürger hättenHonecker nach der Wende ganz besonders verübelt, «dass sie ihm solange zugejubelt hatten».

Der frühere Leiter des Kabaretts am Bahnhof Friedrichstraße gehtselbstkritisch mit sich ins Gericht. «Mein mit dem Nationalpreisgekrönter DDR-Lebenslauf ist ja auch keine Heldengeschichte.» Denn«keiner von uns Nichthelden kann ein System, wenn es nur lange genugbesteht, überleben, ohne irgendwann ein bisschen mitzulaufen». UndKabarettisten seien in gewissem Sinne «immer und überallsystemerhaltend». Am Morgen des 3. Oktober 1990 war für den «Distel»-Autor auch klar: «Jetzt war endgültig Schluss mit lustig.»

Peter Ensikat: Das Schönste am Gedächtnis sind die LückenKarl Blessing Verlag, München320 S., Euro 19,00ISBN 3-89667-273-8