Neuer Direktor der Stiftung Moritzburg Neuer Direktor der Stiftung Moritzburg: "Das stimmt zuversichtlich"

Halle (Saale)/MZ - Von Samstag an ist der Kunstwissenschaftler Thomas Bauer-Friedrich Direktor der Stiftung Moritzburg. Der 37-Jährige leitete zuvor das Museum Gunzenhauser in Chemnitz. Mit ihm sprach unser Redakteur Christian Eger.
Herr Bauer-Friedrich, seit einigen Tagen leben Sie in Halle. Was interessiert Sie an dieser Stadt?
Bauer-Friedrich: Wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, wie sie funktioniert. Das kulturelle Potenzial ist groß. Und es gibt ein sehr junges, sehr aufgeschlossenes Publikum für Kunst und Kultur. Das ist eine wunderbare Ausgangssituation.
Sie wechseln aus den von Ingrid Mössinger erfolgreich geleiteten Kunstsammlungen Chemnitz nach Halle. Frau Mössinger sitzt im Beirat der Moritzburg. Hat sie Ihnen diesen Weg empfohlen?
Bauer-Friedrich: Wir haben darüber gesprochen. Sie wusste Bescheid, dass ich mich bewerben werde. Mehr nicht.
Die Moritzburg ist äußerlich und innerlich eine Baustelle. Die kulturpolitische Situation des Landes ist turbulent. Kann das nicht bange machen?
Bauer-Friedrich: Ja, das kann bange machen. Muss es aber nicht. - Im Gegenteil. Vielleicht ist das auch der besondere Reiz und die Herausforderung, die Direktorenstelle anzutreten, weil es noch sehr, sehr viel zu tun gibt. Daran anzuknüpfen, was im letzten Jahr in diesem Haus verändert wurde, macht Mut und stimmt mich zuversichtlich.
Was soll die Moritzburg unter Ihrer Leitung sein?
Bauer-Friedrich: Mir geht es in erster Linie gar nicht um das „sein“, sondern darum, das Museum weiterzuentwickeln. Auf der einen Seite ist die Moritzburg das Kunstmuseum des Landes, wird aber, wie ich mittlerweile gemerkt habe, als solches kaum wahrgenommen. Bei der Rede vom Landesmuseum ist zur Zeit der Wunsch sehr stark der Vater des Gedankens. Das Ausstellungsprogramm der vergangenen Jahre hatte ja Landespotenzial. Aber das gesamte Standing der Moritzburg ist, wenn man ehrlich und kritisch ist, zur Zeit nicht wirklich auf Landesebene. Auf der anderen Seite soll die Moritzburg auch wieder ein national wahrgenommenes Museum werden. Wichtig ist mir ebenfalls, dafür zu sorgen, dass das Haus in der Stadt Halle und in Sachsen-Anhalt als ein lebendiger Ort für Kultur wahrgenommen wird und zwar mit einem Ausstellungs- und Veranstaltungsangebot, das viele Menschen anspricht.
Wie soll das gelingen?
Bauer-Friedrich: Ganz wichtig ist es, zunächst intern die im vergangenen Jahr geschaffenen Strukturen zu festigen und zu konturieren, sowie Zugriff auf die Sammlungen zu schaffen und einen Überblick darüber, was man eigentlich in den Depots hat. Parallel dazu wäre ein langfristiger Plan zu erstellen, der klar macht, wo wir uns in fünf bis zehn Jahren sehen wollen mit diesem Haus. Dafür muss der Boden geschaffen werden.
Sie wollen Depotstücke sichtbarer machen. Was ist damit gemeint?
Bauer-Friedrich: Das Traurige ist ja: Wenn man zur Zeit in die Moritzburg tritt, sieht man eine große Anlage und erwartet ein großes Museum und dann ist doch relativ wenig von den wunderbaren Sammlungen zu sehen. Weil wir zur Zeit einige Depots in die Burg verlagern, haben wir nur eine sehr eingeschränkte Ausstellungsfläche. Mit dieser Lage müssen wir arbeiten, also entsprechend Schätze aus der Sammlung zeigen, neue Ausstellungsformate vielleicht in kleinen Ein-Raum-Präsentationen erfinden oder bestimmte Veranstaltungen anbieten, in denen einzelne Werke vorgestellt werden, die sonst im Depot lagern. Da gibt es viele Möglichkeiten, in kleineren Zeiträumen immer wieder Interesse zu wecken.
Wie sieht Ihr Programm aus?
Bauer-Friedrich: Zum einen ist die Moritzburg ein Museum für die Klassische Moderne, das soll sie auch bleiben, die Burg der Moderne. Das heißt, die Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wird immer eine feste Säule sein. Zum zweiten gehen die Sammlungen weit zurück in die Vergangenheit, diese Jahrhunderte müssen präsentiert werden. Gerade bin ich in ersten Gesprächen, die eine große Ausstellung zur Renaissance betreffen würden. Natürlich hat das Landesmuseum auch die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und die Gegenwart zu bedienen.
Gibt es Künstler oder Dinge, die Sie gerne zeigen würden?
Bauer-Friedrich: Natürlich gibt es Künstler, die ich gerne zeigen würde. Aber haben Sie bitte dafür Verständnis, dass ich mich jetzt nicht festlege. Es geht zur Zeit ganz konkret um einen für Halle wichtigen Vertreter der Renaissancekunst, aber die Sache ist sehr, sehr schwer aus konservatorischen, klimatechnischen Gründen. Es wäre ein Traum von mir, wenn es klappt. Es ist ein Dürer-Cranach-Zeitgenosse, mehr will ich noch nicht verraten.
Öffentlich sprachen Sie bereits von Willi Sitte.
Bauer-Friedrich: Das war verkürzt zitiert. Mir geht es um die Kunst in Halle in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als die Klassische Moderne noch einmal kurz auflebte bis in die frühen 50er Jahre hinein.
Das möchte ich gerne stärker thematisieren, auch als Teil der Dauerausstellung. Dieses Nachkriegspotenzial der Stadt zu zeigen, darum geht es mir. Dazu gehört natürlich auch Sitte, damals als Kunststudent. Im Kern geht es um die Generation Crodel und Kollegen.
Wie wollen Sie künftig die „Brücke“-Sammlung Gerlinger präsentieren?
Bauer-Friedrich: Zuletzt hat Michael Freitag auf der Ebene Moderne I eine wunderbare Präsentation geschaffen, mit der vor allen Dingen auch Professor Hermann Gerling selbst sehr, sehr zufrieden ist. Das ist eine luftige und freie Präsentation geworden, die sehr harmonisch in den Bestand übergeht. Da sehe ich im Moment keinen Handlungsbedarf. Es gibt natürlich kleine Veränderungen. So soll es im Herbst eine Präsentation zu Erich Heckel und den Ersten Weltkrieg geben.
Es gibt einige, ja, nicht wenige Brücke-Sammlungen in Deutschland. Wie will sich die Hallenser Präsentation von diesen unterscheiden?
Bauer-Friedrich: Das Ziel wäre langfristig, die Sammlung Hermann Gerlinger nicht als einen isolierten Bereich zu präsentieren, sondern im Zusammenhang der Klassischen Moderne zu verorten. Da müssen wir schauen, wie wir das hinbekommen. Aber es wäre mein Ziel, die Brücke-Kunst im Expressionismus stärker zu kontextualisieren.
Sie sind ein gebürtiger Dessauer. Begreifen Sie sich als ein Ost- oder Mitteldeutscher?
Bauer-Friedrich: Als ein Mitteldeutscher.
Was bedeutet das?
Bauer-Friedrich: Ich sehe mich nicht als ein Ostdeutscher im Sinne von Ost und West. Aber mit mitteldeutsch kann ich etwas anfangen, auch kulturell.
Welche Kunst spricht Sie persönlich an?
Bauer-Friedrich: Das ist zum einen die Klassische Moderne, hier vor allem der Expressionismus mit allen Facetten. Jawlensky ist ein Künstler, der mir sehr wichtig ist. Andererseits ist da die Kunst des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Ich komme aus Dessau mit seinem Gartenreich. Mich interessiert die Epoche der Empfindsamkeit, die Porträtkunst von Anton Graff und Adam Friedrich Oeser bis zum Übergang in den Klassizismus.
Konnten Sie bereits mit Ihren Amtsvorgängern sprechen?
Bauer-Friedrich: Mit Michael Freitag ja, mit Katja Schneider noch nicht.
Was wünschen Sie sich von Ihren neuen kulturellen und politischen Partnern?
Bauer-Friedrich: Offenheit, Ehrlichkeit, eine sich gegenseitig respektierende Zusammenarbeit. Eine dauerhafte, solide finanzielle Unterstützung der Arbeit. Und ein Verständnis dafür, was man in einem Museum leistet.
Und, wenn ich mir schon etwas wünschen darf: Ich weiß, wie die Moritzburg in der Vergangenheit zeitweise wahrgenommen wurde. Und ich ahne, wie enorm hoch die Erwartung ist. Und dass da eine gewisse Skepsis ist, wie es weitergeht mit einem neuen Direktor. Ich kann nur darum bitten, mir einen längeren Atem zu lassen, denn es ist schon eine besondere Situation, in die ich hier hineinkomme. Wir müssen uns als Team zusammenfinden, das ist mir sehr, sehr wichtig. Ich verstehe mich nicht als der oberste Leiter, der von oben nach unten durchregiert, sondern meine Mitarbeiter sind meine Mitarbeiter, mit ihnen zusammen möchte ich etwas aufbauen. Also nach den berühmten 100 Tagen schon handfeste Taten zu erwarten, das fände ich etwas vermessen.