Nachruf auf Ian Fraser Kilmister Nachruf auf Ian Fraser Kilmister: Ein Glas auf Lemmy, den Sänger von Motörhead

Halle (Saale) - Rocker haben ein großes Herz, gerade die härtesten unter ihnen: Die, die auf Metal und Punk sind. Weshalb sonst würden sie so laut, so kompromisslos mit ihren Instrumenten und Stimmen arbeiten, weshalb sonst schrien sie ihre Gefühle in die Welt, dass sie davon widerhallt? Und auch jene, denen die Musik von Bands wie Motörhead allein als Lärm erscheinen mag, werden sich widerwilliger Anerkennung wohl doch nicht verweigern wollen.
Mit Metal ist es nicht wesentlich anders als mit den Werken von Großkomponiststen wie Wagner und Mahler, selbst wenn deren Fans das mit Empörung zurückweisen sollten: Es geht in jedem der genannten Fälle um das Äußerste, um blanke Emotionen und um die wilde, schöne, verzweifelte Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit auch, die allemal dahinter steckt.
Mit Lemmy Kilmister, der eigentlich Ian Fraser Kilmister hieß, ist jetzt einer dieser Helden gestorben, einer der größten wahrscheinlich. „We cannot begin to express our shock and sadness, there aren’t words“, haben die Kollegen von Motörhead am Dienstag auf der Website der Band geschrieben: Keine Worte, um den Schock und die Trauer zu benennen.
Das ist eine Reaktion, die viele Anhänger und Gelegenheitshörer der Combo teilen werden. Denn Motörhead hat es nach langen (und lange harten) Jahren geschafft, ein akzeptierter, angesehener Teil des kulturellen Kanons zu werden - nicht nur einer verschworenen Gemeinde wichtig, aber eben auch nicht auf dem glitzernden, belanglosen, verlogenen Unterhaltungstraumschiff der Popkultur unterwegs, das vor allem zwei Zielen dient: Die Leute sollen konsumieren und darüber vergessen, dass sie das Geld wie Seele kostet.
Beim Lemmy gab es immer auch Seele zurück, den ehrlichen Rockerrabatt, für den er selber draufgezahlt hat. Zuletzt mit seinem Leben. Am 26. Dezember, zwei Tage nach seinem 70. Geburtstag, hat er die Krebsdiagnose erhalten, am Montag ist er gestorben.
Man kann freilich annehmen, dass die Nachricht des unheilbar fortgeschrittenen Leidens wenigstens ihn selber nicht überrascht hat: Die meisten Menschen, wenn sie nicht völlig stumpf geworden sind, spüren es, wenn ihre Stunde gekommen ist.
Musikerkollegen wie Black-Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne schicken indessen ihre Trauerbekundungen schon seit gestern via Twitter um den Globus: „Habe einen meiner besten Freunde verloren“, schrieb Osbourne: „ Ich werde Dich auf der anderen Seite sehen.“
So selbstverzehrend, wie Lemmy Kilmister, am Heiligen Abend 1945 als Sohn eines britischen Feldkaplans und einer Bibliothekarin geboren, seit Jahrzehnten gelebt hat, wird ihm die Endlichkeit seines Daseins um so klarer gewesen sein. Zumal er ein reflektierter, kluger Mann war. Dass man im Rockerhimmel auf ihn warten würde, mag ihm einen Trost bedeutet haben.
Der Gründung von Motörhead vor 40 Jahren war der Rausschmiss von Lemmy aus seiner früheren Kapelle Hawkwind vorausgegangen. Der Grund: Kilmister war während einer Nordamerika-Tournee an der kanadischen Grenze mit Amphetaminen erwischt und festgenommen worden.
Für seinen Drogen - und unmäßigen Alkoholkonsum war Lemmy berüchtigt, zuletzt hatten immer wieder Konzerte abgesagt werden müssen, weil er sich nicht wohl fühlte. Und ohne ihn, der so unvergleichlich sang und den Bass zur Gitarre machte, war (und ist) die Band nicht vorstellbar.
Aber der Mann, mit dem militärischen Hütchen, dem verwegenen Südstaatenbart und dem Eisernen Kreuz am Hals hat wie ein Soldat seine Pflicht erfüllt. Zuletzt gab es mit „Bad Magic“ noch ein tolles Album. Es bleibt nun als Abschiedsgruß. Und die Worte der Kollegen: Spielt Lemmys Musik laut, schreiben sie. Wird gemacht! Und auch dies, hier unter Vorbehalt weitergesagt: „Have a drink or few.“ (mz)