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Nach 40 Jahren Nach 40 Jahren: S. Fischer Verlag trennt sich von Autorin Monika Maron

Von Christian Eger 20.10.2020, 17:20
Schriftstellerin Monika Maron: Was ist eigentlich los?
Schriftstellerin Monika Maron: Was ist eigentlich los? imago images/gerhard leber

Halle (Saale) - In ihrem jüngstem Roman „Artur Lanz“ verhandelt Monika Maron auch diese Frage: Ist eine Meinung allein dadurch, dass sie auch von Rechten vertreten wird eine rechte Position? Die Logik sagt Nein.

Aber im Romangeschehen, das hoch erhitzt ist von politischen Deutungskämpfen, wird die Frage gegen einen Physiker bejaht, der damit seinen Job verliert. Allein Artur Lanz springt diesem Kollegen bei.

Wie es aussieht, gibt der S. Fischer Verlag nicht den Artur Lanz. Wie Monika Maron in der „Welt am Sonntag“ mitteilte, hat das in Frankfurt am Main ansässige Buchunternehmen seiner Autorin aus politischen Gründen gekündigt. Mit welcher Erklärung? Mehr als einen Tag tappte die Öffentlichkeit im Dunkeln.

Betr.: Monika Maron

Wie andere Medien auch stellte die MZ am Montag an S. Fischer die Frage, ob es stimme, dass sich der Verlag von seiner Autorin getrennt habe und wenn ja, aus welchen Gründen? Gegen Abend traf eine Mitteilung ein: „Betr.: Monika Maron“.

Der Verlag bestätigt, dass er über „einen für 2021 geplanten Essayband hinaus keine neuen Buchverträge“ anbieten werde. Darüber habe es „in den vergangenen Monaten einen intensiven Austausch“ zwischen der Verlags-Geschäftsführerin Siv Bublitz und der Autorin sowie ihrer Agentur gegeben. Zur Begründung liefert die Geschäftsführerin nur einen einzigen Satz: „Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert.“

„Institut für Staatspolitik“ wird vom Verfassungsschutz beobachtet

Was ist geschehen? Im Frühjahr veröffentlichte Monika Maron einen Essayband unter dem Titel „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ in der Dresdner Edition Buchhaus Loschwitz, die von der Buchhändlerin Susanne Dagen betrieben und über den im sachsen-anhaltischen Schnellroda ansässigen Verlag Antaios vertrieben wird. Ein Unternehmen, das von dem Vordenker der „neuen Rechten“, Götz Kubitschek, geführt und dessen „Institut für Staatspolitik“ vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Dagen, die seit Jahren für eine öffentliche Sichtbarkeit des rechten Spektrums eintritt, ist eine langjährige Freundin der Autorin, wie diese der Berliner Zeitung sagte.

Sie selbst, sagte Monika Maron, hätte seinerzeit bei S. Fischer angefragt, ob der Verlag nicht einen Essayband aus Anlass ihres 80. Geburtstages veröffentlichen wolle, der im Juni nächsten Jahres ansteht. „Das wollten sie nicht. Und dann kam Susanne Dagen und fragte: Monika, hast du nicht was? So war das.“ Auf das politische Engagement der Buchhändlerin angesprochen, erklärte Monika Maron: „Ich grenze mich grundsätzlich nicht von Freunden ab, nur weil wir unterschiedlicher Meinung sind.“

Titel der Reihe ist Stein des Anstoßes

Den Literaturbetrieb störte bislang allein der Titel der Reihe, in dem das Buch erschien: „Exil“. Ein Titel, der das Exil vor dem Nationalsozialismus assoziiert, von dem im beschaulichen Dresden keine Rede sein kann. Dass sie selbst den Reihentitel als unglücklich begreift, hat Monika Maron mehrfach erklärt.

Es ist wahrscheinlich, dass der Hinweis auf Antaios nur einen Aspekt der Spannungen zwischen der Autorin und der S. Fischer-Spitze bezeichnet. Monika Maron sagte in der „Welt“: „Natürlich weiß ich, dass man nicht mit allen meinen politischen Äußerungen zum Islam und zur Flüchtlingspolitik glücklich ist.“ Schon bei ihrem vorletzten Roman habe es von Seiten des Verlages „allerlei Bedenken und schriftliche Hinweise“ gegeben, „um mich vor mir selbst zu schützen, wie mir gesagt wurde.“ Das habe sie „eher komisch gefunden“.

„Was ist eigentlich los?“

Es steht jedem Verlag frei, seine Autoren zu wählen. Zumal Verträge nicht über ein Lebenswerk, sondern über einzelne Bücher geschlossen werden. Aber Fischer hat sich gegen alle künftigen Maron-Bücher entschieden. Bis auf den einen Essayband, der 2021 zum Geburtstag aus alten Texten ausgewählt werden soll. Titel: „Was ist eigentlich los?“

Was hieran beunruhigen darf, ist nicht allein die einseitige Trennung, sondern deren sehr schmallippige öffentliche Begründung. Zumal bei einer Autorin, die zu den namhaftesten in Deutschland und über 40 Jahre - seit dem Bitterfeld-Debüt „Flugasche“ - zu den Stützen des Verlages gehört. „Als Autorin bin ich nun heimatlos“, sagt Monika Maron, „was mit 79 Jahren durchaus eine Frage der Existenz ist.“

Bislang gehörte es zu den Fähigkeiten der Vorzeigeverlage, tatsächlich kontroverse Positionen zumindest in kleinen Einheiten aushalten zu können. Weder hatte sich Rowohlt von Botho Strauß, noch Suhrkamp von Uwe Tellkamp getrennt, der auch in der „Exil“-Reihe veröffentlichte. Aber der kulturelle Liberalismus stößt an seine Grenzen.

Deutschland im Herbst: Einerseits herrscht haltloses politisches Drauflos-Meinen, andererseits ängstliches Schweigen. Nicht einmal mehr die Literaten, zeigt der Rausschmiss, finden untereinander klärende Worte. Dass ihr Essayband 2021 bei S. Fischer erscheinen wird, hat Monika Maron inzwischen verneint. (mz)