MZ-Interview mit Kultusminister MZ-Interview mit Kultusminister: Stephan Dorgerloh über Streichungen an Theatern in Eisleben, Dessau und Halle
Halle (Saale)/MZ - Herr Dorgerloh, was gibt es Neues von den Theatern?
Dorgerloh: Sechs Theater- und Orchesterverträge stehen, drei sind noch offen.
Wobei im Fall Eisleben ja Klarheit zu herrschen scheint.
Dorgerloh: Dort sind die Zahlen klar. Heute trifft sich noch einmal die Arbeitsgruppe, die aus den Intendanten, den Rechtsträgern und Fachleuten aus unserem Haus besteht. Wir gehen davon aus, dass wir schnell zu einem Vertrag über das Kulturwerk Mansfeld-Südharz kommen können.
Wie wird der aussehen?
Dorgerloh: Es wird in Eisleben ein verkleinertes Ensemble im Kulturwerk geben. Und es wird stärker als bisher in die Kulturvermittlung gehen - mit vielen Anbietern und Angeboten für die Region.
Wird Eisleben künftig mit einer festen Summe gefördert oder müssen jeweils projektfähige Mittel beantragt werden?
Dorgerloh: Wir haben feste Summen vereinbart. 750 000 Euro für 2014 und ab 2015, 400 000 Euro pro Jahr bis einschließlich 2018. Nun geht es darum, die inhaltliche Ausgestaltung des Kulturwerkes zu verabreden.
Kommen wir zu Dessau. Wie steht es dort?
Dorgerloh: Für das Anhaltische Theater liegt ein Vertragsentwurf vor. Dessau bekommt mehr Geld als zuletzt vorgesehen - jeweils 300 000 Euro in diesem und im nächsten Jahr – insgesamt 5,5 Millionen Euro. Ab 2016 noch einmal eine Erhöhung um jährlich 350 000 Euro. Das Ganze wird dann noch zusätzlich dynamisiert. Das heißt, wie bei allen anderen Theatern auch, trägt das Land erstmalig bei Theaterverträgen anteilig Lohnkostensteigerungen mit. Das macht bei einzelnen Häusern am Ende Steigerungen von bis zu einer Million Euro aus. Der Vertragsentwurf für Dessau nimmt in großen Teilen die Vorschläge der Stadtverwaltung auf. Wir wollen aus den Haustarifverträgen herauskommen.
Vierspartenangebot für das Publikum bleibt
Für welche Struktur ist dieser Plan gemacht?
Dorgerloh: Die neue Struktur sieht vor, dass Theaterpädagogik, Puppentheater, das große Orchester und der Chor erhalten bleiben. Und es ist einiges Geld eingeplant, um Schauspiel und Ballett einzukaufen, so dass ein Vierspartenangebot für das Publikum bleibt, auch wenn nicht mehr alle Sparten am Haus vorhanden sind.
Das heißt, Schauspiel- und Ballett-Ensemble werden aufgelöst?
Dorgerloh: Ja. Aber alles Nötige, bis hin zum Weihnachtsmärchen, wird eingekauft werden. Wir sprechen über eine Vielzahl hochwertiger Produktionen, die jährlich nach Dessau geholt werden sollen.
Woher sollen die kommen?
Dorgerloh: Man wird versuchen, mit Leipzig, Halle, Magdeburg und Potsdam ins Gespräch zu kommen, um Gastspielkooperationen verlässlich zu planen.
Wie haben die Künstler am Anhaltischen Theater darauf reagiert?
Dorgerloh: Unser Ansprechpartner für die Verhandlungen war die Stadt als Träger des Theaters.
Schauspiel und Ballett verschwinden in diesem Jahr aus Dessau?
Dorgerloh: Die Veränderungen beginnen erst in diesem Jahr. Bis zum 1. Januar 2016 soll die neue Struktur stehen. Das ist ein Vorschlag aus der Stadtverwaltung, den wir mittragen. Für diese Übergangszeit werden Kosten von geschätzt rund zehn Millionen Euro entstehen, die zu 50 Prozent das Land übernehmen wird – zusätzlich zu den jeweils zugesagten Summen. Das muss allerdings, wenn genaue Zahlen vorliegen, noch vom Kultur- und Finanzausschuss des Landtages genehmigt werden.
Alles in allem wird Dessau-Roßlau dann prozentual die gleiche Förderung wie die beiden anderen Oberzentren erhalten. Hinzu kommt, dass Dessau-Roßlau durch den Finanzausgleich schon jetzt zusätzliche Millionen an Zuwendungen erhalten hat, um Stadtpolitik zu gestalten.
Ein akzeptabler Lösungsvorschlag
Die Kosten für Abfindungen von Ensemblemitgliedern trägt dann: wer? Dessau oder der viel zitierte „Strukturfonds“ des Landes, über dessen Höhe man nichts Genaues weiß?
Dorgerloh: Abfindungen wären klassische Strukturanpassungskosten, die dann zur Hälfte vom Land getragen werden. Der Strukturfonds für die Veränderungen bei den Theatern kann auf der Grundlage eines Strukturanpassungskonzeptes nach Bedarf aufgestockt werden. Das ist aus unserer Sicht ein akzeptabler Lösungsvorschlag.
Bei einem solchen Einschnitt stellt sich unvermeidlich auch die Intendantenfrage: Wird es neue Verhandlungen geben müssen?
Dorgerloh: Das ist Sache der Stadt Dessau als Träger. Und es liegt uns daran, dass das so bleibt. Wenn wir als Land ein Drittel der Mittel geben, muss am Ende auch die Stadt entscheiden. Deswegen steht in den Theaterverträgen auch, dass die Besetzung der Intendantenstelle „im Benehmen“ mit dem Land erfolgen soll, nicht „im Einvernehmen“.
Die Spartenschließung wird einen Qualitätsverlust für das gesamte Dessauer Theater bedeuten.
Dorgerloh: Es ist natürlich etwas anderes, wenn man ein eigenes Ensemble hat. Aber erfolgreiche Produktionen nach Dessau zu holen, muss kein Nachteil sein. Letztlich reagieren wir mit dieser Entscheidung auf die demografische Entwicklung der Stadt. Dessau verliert nach wie vor Einwohner, derzeit leben noch etwa 85 000 Menschen dort.
Trotzdem vollzieht sich ein regionaler Kulturbruch. Als 1798 das Dessauer Theater eröffnet wurde, begann es mit einer festen Truppe für das Schauspiel und Musiktheater. Warum soll heute das Schauspiel verschwinden? Hat es nicht genug Besucher gehabt?
Dorgerloh: Die Frage nach einer angemessenen Größe und Struktur ist ja schon viel früher als jetzt akut geworden. Man hätte auch andere inhaltliche oder strukturelle Vorschläge unterbreiten können. Aber mit Blick auf Kooperationen beim traditionellen Kurt-Weill-Fest, mit Musikschulen, mit der Laienchormusik und auch dem Impuls-Festival, das wir gerade stärker nach Dessau orientieren, ist die Entscheidung für ein Musiktheater zu begründen. Wir wollen sehen, wie sich das Haus in seiner verbleibenden Struktur mit den Welterbestätten wie dem Bauhaus oder dem Gartenreich Dessau-Wörlitz verknüpfen lässt, um die regionale Bindung zu erhalten.
Es gab von der Volksinitiative und der Kulturkonferenz den Vorschlag, ein Moratorium von der Dauer eines Jahres zu gewähren, bevor Strukturentscheidungen getroffen werden. Was spricht dagegen?
Dorgerloh: Wir hatten mit dem Kulturkonvent ja eine quasi Kulturkonferenz. Und dort wurden Strukturveränderungen an den Theatern empfohlen. Zudem hatten wir eine Intendantenrunde initiiert, die gerade auch das Thema Kooperationen diskutierte. Aber dort war die Bereitschaft, zu Veränderungen zu kommen, vorsichtig gesagt, sehr gering ausgeprägt.
Erbe zeitgenössisch inszenieren
Genau das hätte man in einer Art Brückenjahr verstärkt anschieben und besprechen können.
Dorgerloh: 2013 ist schon ein solches Jahr gewesen, denn die alten Theaterverträge endeten 2012. Und ich denke, wir können diesen Schritt zu Veränderungen jetzt gehen. Zudem federn wir die Veränderungen ja auch finanziell ab.
Das Anhaltische Theater hat eine starke Lobby, wie man bei den Protesten gesehen hat. Und es wird die Attraktivität des Standortes Dessau nicht erhöhen, wenn das lebendige Kulturangebot geringer wird. Das Theater hat gerade auch mit Schauspielangeboten thematisch in die Stadt und Region hineingewirkt.
Dorgerloh: Es kommen ja vielfältige Produktionen nach Dessau. Aber richtig ist auch, wenn man zwei Sparten abbauen muss, ist niemand begeistert. Ich ebenso nicht. Aber ich glaube, dass man sich der Realität stellen muss. Und dazu gehört die Frage, wieviel Stadtkultur man sich angesichts der vorhandenen Möglichkeiten leisten kann. Und in Dessau müssen auch andere (Hoch-)Kulturangebote berücksichtigt werden: das Gartenreich, das Bauhaus, die Anhaltische Gemäldegalerie, in der Schätze lagern, die es verdienen, besser herausgestellt zu werden. Hierbei geht es nicht nur um das Bewahren, sondern auch darum, dieses Erbe zeitgenössisch zu inszenieren.
Wie ist der Stand der Dinge bei den halleschen Bühnen?
Dorgerloh: Es gibt die Bitte des Oberbürgermeisters, die vorliegenden Eckpunkte bis Ende Januar noch einmal durchrechnen zu können. Wir werden das Ergebnis dann umgehend gemeinsam beraten. Verabredet ist: Das A-Orchester und alle Sparten bleiben. Wir wollen so schnell wie möglich zum Vertrag kommen. Auch für Halle gilt: Die Stadt kann ihre Umstrukturierungskosten zu 50 Prozent geltend machen.
Das bedeutet, auch Halle wird abbauen müssen.
Dorgerloh: Um eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl wird auch Halle nicht umhin kommen. Auch die Bühnen der Stadt Halle sollen perspektivisch raus aus den Haustarifverträgen. Und die Absicherung der Händel-Festspiele wird eine Rolle spielen.
Demnächst wird also das hallesche Schauspiel in Dessau gastieren?
Dorgerloh: Es gab ja wohl schon ein vertrauliches Gespräch zwischen dem Dessauer und dem halleschen Oberbürgermeister zu diesem Thema…
…das dann öffentlich geworden ist.
Dorgerloh: Wir werben ja stark für Kooperationen und werden diese unterstützen, wo es möglich ist.
2014 auch viele Kulturinvestitionen möglich
Die Enttäuschung, ja das Entsetzen über den Kulturabbau war bei den Künstlern zuletzt stark, das Vertrauen in die Politik ist erschüttert. Wächst sich das aus?
Dorgerloh: Zunächst muss klar gesagt werden, dass mit dem Haushaltsplan 2014 auch viele Kulturinvestitionen ermöglicht werden. Ich denke da an den Neubau eines Bauhaus-Museums, die Sanierung des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt oder zusätzliche Mittel für die großen Kulturstiftungen. Wenn die Theaterverträge fertig sind, sollte man versuchen, miteinander nach vorne zu schauen. Die Entscheidungen sind niemandem leicht gefallen. Wir müssen aufeinander zugehen und gemeinsam gestalten. Das ist nicht nur sinnvoll, sondern auch eine Frage der Kultur und des Umgangs miteinander. Am 24. Februar lade ich zu einem „Forum Kultur“ ein, um Bilanz zu ziehen und nächste Schritte zu besprechen. Das führt nicht automatisch zur Geldvermehrung, aber zu Ideen und Konzepten.
Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die Bauhaus-Krise. Christoph Stölzl hatte in der MZ vorgeschlagen, der Stiftungsrat solle Philipp Oswalt zu einer neuerlichen Bewerbung um das Direktorenamt einladen. Haben Sie Ihn eingeladen?
Dorgerloh: Wir haben die Stelle öffentlich ausgeschrieben. Darauf kann sich jede und jeder bewerben, wenn die Kriterien erfüllt werden.
Die Gründe, Oswalts Vertrag nicht zu verlängern, liegen nach wie vor im Dunkeln.
Dorgerloh: Das Wesentliche, was hierzu zu sagen war, ist gesagt.
Es war die Rede von einem „gestörten Vertrauensverhältnis“. Lässt sich so etwas nicht reparieren?
Dorgerloh: Das ist eine Frage an verschiedenste Personen.
Wann endet die Bewerbungsfrist?
Dorgerloh: Ende Januar. Dann wird der Stiftungsrat beraten.