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Spurensuche Rammstein-Frontsänger: Was Vater Werner über seinen Sohn Till Lindemann schrieb

Woher kommt Till Lindemann, Frontsänger der deutschen Rockband "Rammstein"? Kinderbuchautor Werner Lindemann schreibt Anfang der 1980er Jahre ein Buch über seinen Sohn, sich selbst und das Verhältnis der beiden zueinander.

Von Steffen Könau Aktualisiert: 30.05.2023, 12:32
Till Lindemann, Frontsänger der deutschen Rockband Rammstein.
Till Lindemann, Frontsänger der deutschen Rockband Rammstein. Foto: dpa | Malte Krudewig

Halle (Saale) - Es führt ein Weg von dem Neunjährigen aus Wendisch Rambow in der Nähe von Bad Kleinen zu dem Riesen da vorn auf der Bühne.

„Er knackt ganz einfach jede Nuss / und die nicht will, muss“, reimte Till Lindemann als dreikäsehoher Zweitklässler, damals, 1972 in der DDR. „Frauen stehen ihren Mann / weil der nicht mehr stehen kann“ heißt es 48 Jahre und eine Weltkarriere später in Lindemanns neuem Gedichtband, der schlicht „100 Gedichte“ heißt.

Till Lindemann - was steckt hinter dem "Rammstein"-Frontsänger?

Mehr braucht es nicht, um 18 Jahre nach dem Lyrikdebüt „Messer“ an die Spitze der Poeten-Hitparade zu hechten und Miniaturen wie „ich liebe die Musik / doch leise soll sie sein“ in eine Diskografie zu stellen, die sich auf den ersten Blick ausschließlich dem Lauten, Rohen und Provokanten gewidmet hat.

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Lindemanns Band Rammstein, das ist ein Vierteljahrhundert nach Gründung der kraftmeiernden Kapelle der Inbegriff von Sex, Gewalt und Tabulosigkeit schlechthin. Und Till Lindemann selbst, der einstige Leistungsschwimmer und spätberufene Musiker, ist der Anführer der Truppe, die außer ihr nur noch die Elektronikformation Kraftwerk als Deutschlands Beitrag zur Weltpopkultur gilt.

Woher kommt Till Lindemanns zynischer Humor?

Woher aber kommt er, dieser oft als teutonische Brachialität verkannte zynische Humor Lindemanns, der Rammstein zeitweise und zumindest in Deutschland die Bezeichnung „umstritten“ eingebracht hat? Wie wurde dieses Sechsmann-Ensemble aus DDR-Anarchisten zur marktwirtschaftstauglichsten Rockkapelle des Landes, ja, des Kontinents?

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Hinweise darauf gibt ein Buch, das der Kinderbuchautor Werner Lindemann Anfang der 1980er Jahre über seinen Sohn, sich selbst und das Verhältnis der beiden zueinander geschrieben hat. In „Mike Oldfield im Schaukelstuhl“, 1981 und 1982 als eine Art Tagebuch verfasst und 1988 in der DDR veröffentlicht, erzählt der Mittfünfziger vom spannungsgeladenen Zusammenleben mit seinem Sohn in einem abgelegenen Häuschen im ländlichen Mecklenburg.

Till Lindemann hat damals gerade eine als schrecklich empfundene Lehre in Rostock abgebrochen und ist, um befürchteten Nachstellungen der Behörden zu entgehen, zu seinem Vater aufs Land gezogen. Beide haben bis dahin nie viel miteinander zu tun gehabt.

Rammstein-Legende: Was Vater Werner Lindemann über den jungen Till schreibt

Werner Lindemann lebt das bequeme Leben eines Mannes, der sein Hobby zum Beruf hat machen dürfen, dafür aber bei seinen Leisten bleiben und harmlose Kindergedichte schreiben muss. Till dagegen verbrachte seine Kindheit weitgehend im Sportinternat.

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Er ist jetzt 19 und zornig auf die Verhältnisse, weiß aber keinen konkreten Grund dafür. „Timm“, wie ihn der Vater im Buch nennt, wartet die Zukunft ab, er hört Musik, die der alte Herr nicht versteht, er pflegt Beziehungen, von denen der Hausherr nichts weiß, und er ist so wortkarg, dass die Zweiergemeinschaft eher nebeneinanderher als miteinander lebt.

„Es wird dauern, bis er begreift, nur wer zuerst Normales schafft, wird zu gegebener Zeit Außergewöhnliches leisten können“, hadert der Dichtervater mit seinem Sohn, der wider Willen eine Lehre zum Zimmermann macht, obwohl er doch eigentlich nur chillen wollte. Es ist das alte Vatersyndrom, das Werner Lindemann plagt und ihn zwingt, fortwährend empört zu sein: Der Junge schlafe immer so lange und im Verhältnis zu seiner Freundin, schreibt er, zeige er einen „verachtenswerten Egoismus“.

Vater und Sohn: Beziehung von Werner und Till Lindemann

Kein Wille, kein Weg, keine Ziele. Lindemann senior, im Alter des Sohnes im letzten Aufgebot des „Führers“, hadert mit dem, was er als Antriebslosigkeit sieht. Der Sohn aber ist genervt von den Ansprüchen des Alten, für den er das Leben leben soll, das der nicht hat leben können.

Zwei, die sich gleicher sind als sie denken, die sich aber wie der „Frosch im Winter“, von dem Werner Lindemann einmal geschrieben hat, nicht bewegen können. Und schon gar nicht aufeinander zu.

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„Junge Bäume haben Mühe, hochzukommen im Schatten der alten“, hat Werner Lindemann durchaus erkannt. Aber das ist nur der Verstand, das Herz blutet dennoch, als er eines Tages nach Hause kommt und statt des Sohnes auf dem Tisch einen Zettel findet „Tschüs! Ich lasse mich demnächst mal sehen.“

Werner Lindemann empfindet es als „einen Augenblick, wo das Leben so vollendet erscheint, dass ich sterben möchte“. Till kehrt nie zurück. Er kauft eine Schilfkate, spielt Schlagzeug in einer Band, beginnt Texte zu schreiben und lernt seine späteren Rammstein-Kollegen Richard Kruspe, Christian Lorenz und Paul Landers kennen. Als die gemeinsame Band zum ersten Mal auf Tour geht und der große Ruhm ansteht, ist Vater Werner Lindemann gerade gestorben.