Partysänger Ein Abend mit Ballermann-Sänger Julian Sommer
Ballermann-Songs stürmen derzeit die Charts. Auch „Dicht im Flieger“-Sänger Julian Sommer beschert das einen vollen Tourplan. Statt betrunken im Flugzeug sitzt er jedoch meist lange nüchtern im Auto.

Göttingen - Kleine, müde Augen, aber ein breites Grinsen: Partysänger Julian Sommer steht um 2.35 Uhr vor einer Fotowand im „Alpenmax“ in Göttingen. Die Disco in Uni-Nähe (Slogan: „Der Gipfel des Vergnügens“) ist an diesem Sonntagmorgen gut gefüllt.
Teenager in verschwitzten Shirts oder knappen Röcken stehen Schlange, um ein Foto mit dem 24-Jährigen aus dem Dorf Hausten in der Vordereifel zu bekommen. Der lächelt geduldig in jede Handykamera. Für ihn sind es die letzten Arbeitsminuten eines langen Tages - der 18 Stunden zuvor begann.
Shooting-Star der Ballermann-Szene
Der Rheinland-Pfälzer gehört zu den Shooting-Stars der Ballermann-Szene, die nach zwei Jahren Corona einen wahren Boom erlebt. Den umstrittenen Partykracher „Layla“ kennt mittlerweile wohl jeder. Sommer, der früher selbst gern im „Bierkönig“ feierte, bringt seit 2020 Songs heraus. Im Frühjahr landet er mit „Dicht im Flieger“ einen Hit, der es bis auf Platz sieben der Charts schaffte.
„Das Leben hat sich natürlich komplett geändert, von 0 auf 100“, sagt der Newcomer, der vor seinem Aufstieg für ein Autohaus gearbeitet hat. „Während der Pandemie waren keine Auftritte möglich, jetzt bin ich jedes Wochenende unterwegs. Das ist natürlich eine starke Umstellung. Aber es macht Mega-Spaß.“ 30 Live-Auftritte sind es im August, vom „Bierkönig“ an der Playa de Palma auf Mallorca bis zur Kirmes in Herne im Ruhrgebiet.
Auftritt reiht sich an Auftritt
An diesem Samstag stehen gleich drei Live-Gigs in Deutschland auf dem Tourplan, bevor am Sonntag der wöchentliche „Bierkönig“-Auftritt auf Mallorca ansteht. Der erste auf dem Flugplatz Hartenholm in Schleswig-Holstein. Dort kommt er mit seinem ein Jahr älteren Bruder Max, der ihn zu den Auftritten fährt, um 16.30 Uhr an - nach acht Stunden Fahrt. Los ging es am Morgen in Ludwigshafen am Rhein, wo Sommer nachts zuvor in einem Club auf der Bühne stand.
Leicht genervt von Staus und einer Autobahnsperrung schiebt Sommer seinen Rollkoffer in eine provisorische Umkleidekabine und steht wenig später in Markenklamotten (T-Shirt, kurze Hose und Tennissocken) am Bühnenrand der „Olé-Party“.
Max steckt den USB-Stick mit dem Playback ins DJ-Pult, er übernimmt die Technik und filmt für Social Media. Auch Manager Robin ist vor Ort. Um 17.28 Uhr läuft Malle-Star Sommer mit einem gelben Handtuch auf die Bühne. „Dicht im Flieger“, sein größer Hit, macht den Anfang.
„Wo sind die Single-Ladys?“
Fragen ans mitgrölende und klatschende Partyvolk: „Wer war dieses Jahr schon auf Mallorca?“, „Wer trinkt hier heute noch Alkohol?“, „Wo sind die Single-Ladys?“ Alle drei Fragen werden standesgemäß mit einem tosenden „Uahhhhhhhhaaaaa“ beantwortet.
„Mallorca-Fanatiker“, „Spreng dein Limit“ und die aktuelle Single „Morgen kickt der Kater“ stehen noch auf dem Programm. Sommer singt seine Songs live über das Playback. Es geht hauptsächlich um Alkohol und Party („Sangria, Wodka, Wein, wir knall'n uns alles rein. Denn wir woll'n nur eins: besoffen sein.“). Polarisierende Textzeilen wie bei den Malle-Charthits „Layla“, „Olivia“ oder „Lea“ sucht man bei dem Newcomer (bislang) vergebens.
„Er ist einfach geil. Stimmung passt, der Name ist Programm. Alles gut“, befindet ein junger Fan aus Hamburg. Nach rund 20 Minuten und einer „Dicht im Flieger“-Zugabe verabschiedet sich Sommer.
Es geht weiter, zurück auf die A7
Das Navi zeigt an: Es wird knapp bis zum nächsten Auftritt im niedersächsischen Esterwegen. In drei Stunden soll er dort auf der Bühne stehen. Vor dem Hamburger Elbtunnel heißt es: Stop and go. „Staus nerven mich grundsätzlich. Es ist bei uns derzeit ja alles sehr eng getaktet, von daher haben wir eigentlich gar keinen Puffer.“
Bald geht es deutlich schneller vorwärts. Doch wenige hundert Meter vor dem Erikasee, an dem die Mallorcaparty stattfindet, der nächste Stopp: In einem Wohngebiet wird der Wagen des Sängers angehalten. Fans haben ihn erkannt. In einem Gartenzelt feiert ein Paar seine Hochzeit - Bier scheint schon reichlich geflossen zu sein.
„Wir sind schon sehr, sehr spät dran“, sagt der stresserprobte Sänger - um Ingrid und Martin dann doch noch zu gratulieren. Keine Minute später sitzt er wieder auf dem Beifahrersitz.
Es wird reichlich Korn getrunken
Die Veranstaltung ähnelt einer Landjugendparty. Es ist noch früh. Die meisten Gäste halten sich noch an den Bierständen auf, es wird reichlich Korn getrunken. Hinter der Bühne gibt es kein Klo, das Buffet besteht aus zwei Tüten Gummibärchen, einem Obstteller, fünf Brötchen und zwei Tuben Senf. „Ich hab' schon deutlich Schlimmeres erlebt“, sagt Sommer - und sprintet um 21.30 Uhr auf die mit Kunstpalmen geschmückte Bühne.
„Esterwegen, ihr seid der Wahnsinn“, brüllt er. Das kommt an. Die Menge verlagert sich. In den ersten Reihen strecken vor allem Teenies ihre Hände und Handys in die Höhe. Mädels kreischen. „Wer trinkt hier heute noch Alkohol?“ „Uahhhhhhhhaaaaa.“ Gute Laune. Glückliche Gesichter.
Um 22.00 Uhr verabschiedet sich Sommer schon wieder. Auf dem Weg zum Auto gibt's ein paar Selfies und eine Umarmung mit dem Kollegen Tim Toupet („Inselverbot“), der gerade vom Parkplatz kommt. Er tritt als nächstes auf.
Sommer muss etwas schlafen
Diesmal steigt Sommer hinten ein. Er will später etwas schlafen. Es geht jetzt nach Göttingen. Wieder sind es rund 200 Minuten Autofahrt. Der Gig im Club „Alpenmax“ ist für 1.15 Uhr geplant.
„Nach so einem anstrengenden Tag ist es immer schwierig, nochmal Gas zu geben. Ich schlaf viel im Auto, wenn es geht. Auf der Bühne legt man dann einen Schalter um, dazu kommt das Adrenalin. Dann passt das“, sagt der 24-Jährige, der seit 14 Stunden auf den Beinen ist.
Die nächtliche Fahrt durch Niedersachsen verläuft weitgehend ruhig. Bei einem kurzen Tankstopp auf der Autobahn isst Sommer eine Bockwurst. Es ist die erste Mahlzeit nach dem Frühstück im Hotel. Richtig Hunger hat er aber nicht, wie er sagt.
Er würde gern selbst im Publikum stehen
Kurze Zeit später meldet sich Max: Er sei müde. Fahrerwechsel. Noch einmal geht's runter von der A7 wegen einer Sperrung. Wie empfindet er selbst seinen neuen Ruhm? „Hin und wieder würde ich selbst nochmal gern im Publikum stehen und einen trinken, aber das ist momentan halt eben nicht möglich.“
Er bekomme immer wieder Nachrichten, wie einfach doch sein Job sei: kurz auf die Bühne, danach selbst feiern. „Doch diese vielen Stunden im Auto sieht keiner.“ Bei dem Pensum sei auch kein Alkohol drin. Nüchtern im Auto statt dicht im Flieger.
Gegen 1.30 Uhr parkt der stimmlich schon etwas angeschlagene Sänger neben dem Club. „Julian, gib alles“, ruft ein angetrunkener Gast ihm wenig später zu. Dann geht's wieder auf die Bühne. Das Publikum: noch jünger und weiblicher. Ein schwarzer BH fliegt Sommer zu. Er hebt ihn etwas verlegen auf. Um 2.20 Uhr ist auch Auftritt Nummer drei vorbei.
Und dann noch an Mallorca
Nach unzähligen Fan-Fotos packt Sommer seine Sachen im Büro des Clubs zusammen. Wie fällt sein Fazit aus? „Bis auf die langen Fahrten mit Vollsperrungen und Staus lief es ganz gut. Es waren drei geile Veranstaltungen.“ Dann schaut er auf die Uhr. Bruder Max ist nervös. Denn eine letzte Autofahrt steht noch an.
„Viertel vor drei. Wir fahren jetzt zum Flughafen nach Paderborn, um fünf Uhr fliege ich nach Mallorca, 20 Uhr "Bierkönig" und Montag wieder heim“, sagt Sommer lächelnd.