Musik Musik: Tino Eisbrenner kommt jetzt ohne rote Kappe daher

Neubrandenburg/dpa. - Mit einer knallig roten Kappe wurde er populär. Tino Eisbrenner, Sänger der DDR-Band «Jessica», fiel einst mit seiner Kopfbedeckung und mit mehreren Hits auf. «Ich beobachte Dich» oder «Mama» führte wochenlang die DDR-Hitparaden an, «Jessica» wurde vor 20 Jahren beliebteste Newcomer-Band des Jahres. Längst ist die Gruppe wieder aufgelöst, doch Eisbrenner steht noch regelmäßig auf der Bühne, als Popsänger, Chansonnier oder lesender Literat. Im Februar erscheint das vierte Solo-Album des 41-Jährigen, «M.A.N.G.O.», mit einer melodiösen Mischung aus Pop und Weltmusik.
«Ich bin froh, nach der Wende meinen Weg gefunden zu haben», sagt der Berliner, der vor einigen Jahren auf ein Gut im Süden von Mecklenburg-Vorpommern zog. Dort entstehen regelmäßig neue Songs und Bücher. Dort ist auch das Domizil von Mañana Records, Eisbrenners eigenem Plattenlabel, und der Sitz der Künstleragentur Pow Wow Agents, die Events mit indianischen Künstlern organisiert. Das Gut ist außerdem die Adresse von Big Circle international, dem Verein zur Unterstützung indigener Kulturen. Indigene Völker sind die Nachfahren der jeweils ersten Besiedler einer Region, die später von anderen Völkern unterworfen wurden.
Eine ähnlich bedeutende Rolle wie die Musik spielen in Eisbrenners Leben die Indianer. «Ab der ersten Klasse habe ich die DEFA-Indianerfilme geguckt», berichtet er. Als Zweitklässler schließlich zog er mit seinen Eltern in die Indianer-Film-Kulisse, nach Bulgarien. Drei Jahre lang lebte er dort, las Indianerliteratur und entwickelte ein Verständnis für fremde Kulturen. «Es war nur eine Frage der Zeit, dass ich mal zu den echten Indianern komme», sagt er jetzt. Zwischen 1996 und 1998 lebte und arbeitete Eisbrenner bei mexikanischen Indianern.
«Die Indios haben gemerkt, dass ich mehr bin als ein Karl-May-Fan», meint der Musiker. Sein Verein Big Circle holt Indios nach Deutschland, die hier ihre Kultur präsentieren oder arbeiten wollen. Traditionelle Trommler vom Stamm der Azteken standen schon mit Eisbrenner zusammen auf der Bühne. Auch in die Songs des gebürtigen Berliners fließen die Erfahrungen mit den Indianern ein. Der Song «Irgendwo in Mexiko» auf dem neuen Album etwa berichtet von der Begegnung mit Indianern.
Auf M.A.N.G.O. sei erstmals eine Mischung seiner musikalischen Ambitionen hörbar, sagt Eisbrenner. Zu hören sind moderne Chansons, Songwriter-Stücke, Jazz und Ethno-Musik mit Reggae-Einflüssen und afrikanischen Grooves. «Es ist trotzdem wieder ein Popalbum», meint der Künstler, der in den 90er Jahren mit seiner - nach «Jessica» - zweiten Band «Wilder Garten» Weltmusik gespielt hatte. «Es wurde wieder mal bewiesen, dass man auch oder gerade mit deutschen Texten Lieder schreiben kann, die unterhaltsam, nachdenklich, lustig, traurig sind», schreibt Petra, die einige M.A.N.G.O.-Stücke schon auf einem Konzert hörte, ins Internet-Gästebuch.
Mit «Jessica» war Eisbrenner fest in den Musikprogrammen von Radio und Fernsehen verankert. Jetzt ruft er regelmäßig selbst bei den Musikredakteuren an, um seine Singles unterzubringen. «Es ist mühsam, ins Radio zu kommen», sagt der Künstler, der auch seine Bühnen-Auftritte selbst organisiert. «Hier in Mecklenburg-Vorpommern hat nach der Wende kein Mensch ein Lied von mir im Radio gespielt.» Mittlerweile laufen beim NDR zwei Lieder - «vom vorvorletzten Album».
Seine Zukunft sieht Eisbrenner in der Literatur. 1997 brachte er eine Biografie heraus, im Herbst soll sein zweites Buch auf den Markt kommen. «Aufenthaltsgenehmigung» heißt Eisbrenners Wunschtitel für diesen Band, eine Mischung aus Lyrik und Prosa. «Es macht mir auch Spaß, nicht immer den Reim zu finden, sondern fließend wegzuschreiben», sagt der 41-Jährige, der regelmäßig Lesungen hält.
(Tour mit Band zum neuen Album: 27.02. Großenhain Kulturzentrum; 28.02. Berlin Wabe; 02.04. Greifswald Penguin; 26.06. Friedensfest auf dem VierWindeHof Plath; 03.10. Finsterwalde Brauhaus Radigk)