1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Musik: Musik: Skandalrapper Sido zeigt sein wahres Gesicht

Musik Musik: Skandalrapper Sido zeigt sein wahres Gesicht

Von Barbara Heimpel 11.12.2006, 07:06
Beim Gesangswettbewerb «Bundesvision Song Contest» präsentiert sich der Sänger Sido in der Arena Oberhausen ohne Maske. (Foto: dpa)
Beim Gesangswettbewerb «Bundesvision Song Contest» präsentiert sich der Sänger Sido in der Arena Oberhausen ohne Maske. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Und er istauf dem besten Weg, für sein gerade erschienenes Album «Ich» noch indiesem Jahr Platin für eine Millionen verkaufte Platten zu erhalten.Sido alias Paul Würdig ist der Star der deutschen HipHop-Szene, auchwenn das den Jugendschützern nicht gefällt.

Bevor Sido 2001 von dem neu gegründeten Label Aggro-Berlin unterVertrag genommen wurde, nahm er seine Rap-Stücke gemeinsam mit seinemKumpel B-Tight noch auf Kassette auf. Sein Studio lag in einemehemaligen Bordell in Schöneberg. «Das war ein Loch», erzählt Sido imdpa-Gespräch. Die Texte, die dort entstanden, passten zum Ambiente.In dem Debütalbum «Maske» ging es vor allem um Sex und die Drogen,die er in seinem «Block» zwischen den Hochhäusern des MärkischenViertels in Berlin-Reinickendorf konsumiert hat. Im Musikvideotummelten sich Dealer mit Kampfhunden, Prostituierte und andereGestrandete zwischen Hochhausschluchten. Die Bronx ließ grüßen.

«Man kann den Dingen eine gewisse Härte nicht absprechen»,resümiert das Enfant Terrible, das nun ein Gesicht hat. Ohne Maskesieht der 26-Jährige fast ein bisschen aus wie SchwiegermamasLiebling, wären da nicht die Tätowierungen am Hals: Randlose Brille,Turnschuhe, Baseballkappe und Dreitagebart. Er sitzt im neuen Aggro-Büro in Kreuzberg, das mit ihm «richtig krass expandiert» ist, wieSido es formuliert. Klar seien die Texte «auf die Spitze getrieben».Wie viel Selbstironie in ihm steckt, zeigt seiner Meinung nach dieKreuzigungsszene in «Steh auf». «Ich war damals der HipHop-Jesus. Ichbin ans Kreuz für all eure Sünden», meint Sido grinsend. Sido ist dieAbkürzung für «Super intelligentes Drogenopfer». Früher stand es für«Scheiße in dein Ohr». Aber das war ihm «irgendwie etwas zubehindert».

Dass der harte Sozialrealismus in Sidos Getto nur aufgeputschteHipHop-Attitüde mit Showqualität sein soll, nehmen ihm Eltern undBundesprüfstelle nicht ab. Seine Lieder stehen regelmäßig auf demIndex für jugendgefährdende Medien. «Alles Quatsch», ärgern sich Sidound Aggro-Berlin. So sei nun mal die Realität im Block. Indiziertwurde (bislang) nur ein Lied: «Endlich Wochenende», in dem der medialzum Gangsterrapper mutierte Straßenjunge skandiert, Joints, Pillen,Koks und Hochprozentiges zu genießen. Trotzdem: «Ein Gangsterrapperbin ich garantiert nicht», versichert er.

Also alles nur Popkultur und Imagepflege? Die SPD-Kulturpolitikerin Monika Griefahn konnte er nicht von seiner Unschuldüberzeugen. Im Sommer 2005 saß er in ihrem Bundestagsbüro unddiskutierte über Frauenfeindlichkeit und Gewaltverherrlichung. «Ichwar damals das Aushängeschild des HipHop. Sie musste mich einladen.»Griefahn habe vorgeschlagen, über Liebe zu singen, um denromantischen Bedürfnissen der Mädchen gerecht zu werden. Sido hat siebeim Wort genommen, aber auf seine Art und Weise. Sein Lied «Ficken»auf dem neuen Album hat gute Chancen, auf dem Index zu landen. Aberer hat dazu gelernt und die Rapperin Kitty Kat mit ins Boot geholt.«Mir kann niemand mehr Frauenfeindlichkeit vorwerfen. Sonst müssteman ihr auch Männerfeindlichkeit vorwerfen.» Sexistisch ist estrotzdem.

Was die Verherrlichung von Drogen angehe, habe er seine «Händereiner gewaschen als ich sie hätte waschen müssen», sagt Sido. «WennLeute nicht zwischen den Zeilen lesen können, mach ich's nochdeutlicher.» Am Ende von «Ich kiff' nicht mehr», was zumindest einguter Vorsatz ist, warnt er: «Kinder, nehmt euch kein Beispiel anmir.»

Sido ist kürzlich aus seinem Kiez im Märkischen Viertel in eineschicke Dachwohnung gezogen, wobei er seine neue Adresse nichtverrät. «Das ging einfach nicht anders», sagt er über seinenWohnortwechsel. Wohl fühlt er sich dort nicht, auch wenn er seinen VWTouareg in der Einfahrt parken darf. «Die mögen und akzeptieren michnicht.» Für die Nachbarn sei er der «tätowierte Rüpel-Rapper». Dabeihat Sido «aus der Not eine Tugend gemacht», wie er meint. «Könnte ichsingen, wäre ich jetzt einer von den verbratenen Popstars.»