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Musik Musik: Gesänge der Nacht

Von ANDREAS HILLGER 20.05.2011, 17:06

Halle (Saale)/MZ. - Sie ist die Sally Bowles in "Cabaret" gewesen und die Polly in der "Dreigroschenoper", als Irma La Douce und als Edith Piaf gab sie den Star ihrer eigenen Show - und nachdem sie von keinem Geringeren als Michael Bogdanov einst für "Hair" im Londoner West End engagiert worden war, steht sie derzeit als Lucy in "Jekyll & Hyde" auf der Bühne des Magdeburger Theaters. Eigentlich könnte Katharine Mehrling vollauf mit ihrer Musical-Karriere zufrieden sein. Aber die zierliche Frau mit der gewaltigen Stimme will mehr. Und deshalb hat sie nun mit dem Jazz-Klarinettisten Rolf Kühn das Album "Am Rande der Nacht" eingespielt, das sie von einer sehr persönlichen Seite zeigt - stark und zart, ironisch und verletzlich.

Katharine Mehrlings Weg bis zu diesem Punkt war lang, aber zielbewusst: Ihre Eltern betrieben eine Musikkneipe im hessischen Ostheim, die Mutter nahm selbst deutsche Chansons auf - und erkannte die Begabung ihrer Tochter früh. Ein Demo-Band brachte der 14-jährigen Katharine eine Audienz beim Grand-Prix-Papst Ralph Siegel und die Teilnahme am deutschen Vorentscheid ein - eine Episode, auf die sie inzwischen eher ungern angesprochen wird. Stolzer ist sie auf ihren zweiten Platz beim Bundeswettbewerb Gesang, der ihr 1995 den Preis des Deutschen Bühnenvereins eintrug - und zehn Jahre später das Amt einer Jurorin.

Da hatte sie bereits ihre Ausbildung in New York, Paris und London absolviert und Berlin mit Rollen in Stücken wie "Pinkelstadt" und "Die Drei von der Tankstelle" erobert. Den schnellen Erfolg aber, für den viele Künstler ihre Persönlichkeit verleugnen und sich ein stromlinienförmiges Image verpassen, wollte sie offenbar nicht. Und darum hat sie sich viele fremde Leben anverwandelt, ehe sie sich entschloss, aus ihrem eigenen zu erzählen. Selbst die Kooperation mit Rolf Kühn, der bereits mit Stars wie Chick Corea und John Coltrane, Chet Baker und Sarah Vaughan gespielt hat, währte vor dem Album schon einige Jahre. Dem Ergebnis hat dies hörbar gut getan.

13 Songs versammelt das Album, allesamt erzählen sie souverän von den Wechselfällen des Lebens und der Liebe. Katharina Mehrling flirtet mit dem Mikrofon, sie weiß um die Verführungskraft ihrer Stimme und bettet sie sinnlich in den Klang der Instrumente ein. Dabei hebt sie sich in den Texten wohltuend von jenen Kolleginnen ab, die vor allem dank Frank Ramonds Texten derzeit en vogue sind: Auch wenn die Mehrling vor fettem Bigband-Sound eine ironische Hymne auf den "Makrobiot" singt, ist diese Absage längst nicht so bemüht wie beispielsweise die früheren Hits von Annett Louisan. Und nachdem die Künstlerin neben ihrer CD "Hommages" mit französischen Chansons in der Vergangenheit auch ein Album mit Kinderliedern besungen hat, gibt sie sich im Hier und Jetzt sehr erwachsen und erotisch.

Das musikalische Spektrum reicht dabei vom Blues bis zum Country-Jazz, die Bandbreite der Gefühle vom Beginn der Liebe bis zum Ende einer Affäre. Neben eigenen Kompositionen finden auch Klassiker Eingang in das schöne Album: In "Nantes", das im Original von der französischen Chansonette Barbara gesungen wurde, setzt sich Katharine Mehrling mit dem frühen Verlust ihrer Eltern auseinander. Und mit "Gloomy Sunday" kommt jenes Lied vom traurigen Sonntag zu seinem Recht, das von so unterschiedlichen Interpreten wie Marianne Faithful und dem Kronos Quartet, Elvis Costello und Branford Marsalis eingespielt wurde - und dessen suizidalen Sog auch der Film "Ein Lied von Liebe und Tod" erzählt.

Apropos Film: In "Operation Walküre" hat Katharine Mehrling bereits eine kleine Rolle als Sängerin im Offizierskasino verkörpert, auf der Schauspielbühne würde sie gern einmal Frank Wedekinds verführerische Heldin Lulu spielen. Zunächst aber ist sie weiterhin in der erfolgreichen Magdeburger Inszenierung des Grusicals "Jekyll & Hyde" zu erleben - und auf ihrer Tour zur CD "Am Rande der Nacht", auf der sie von Rolf Kühn und Band begleitet wird.

Die nächste Vorstellung von "Jekyll & Hyde" findet am 28. Mai um 19.30 Uhr statt. Am Tag zuvor gastiert Katharine Mehrling im Steintor Varieté Halle.