Musik Musik: Dresdner Rockband Electra wird 35 Jahre alt
Dresden/dpa. - «Tritt ein in den Dom» war der größte Hit derDresdner Band «Electra» und zugleich die Hymne des Art Rock in derDDR. Doch gerade dieser Titel hatte es bei den misstrauischenKulturpäpsten im Lande besonders schwer. Sie empfanden ihn alsAufforderung zum Eintritt in die Kirche und verweigerten deshalb seinErscheinen auf dem Debütalbum der Band 1974. Dabei hatten die Mannenum Bandleader Bernd Aust (Querflöte, Saxofon) nur der himmlischenSchönheit sakraler Bauwerke huldigen wollen.
Wenn «Electra» an diesem Samstag im «Alten Schlachthof» vonDresden auf die Bühne tritt, ist das ein Heimspiel im doppelten Sinn.Zum einen wurde die Band 1969 nur wenige Kilometer Luftlinie entferntvon Absolventen der hiesigen Musikhochschule gegründet. Zudem istAust inzwischen Dresdens bekanntester Konzertveranstalter und hat inden vergangenen Jahren mit Partnern rund 1,5 Millionen Euro in denAusbau des Schlachthofes zum Musentempel investiert.
Solcher Unternehmergeist wurde zu Beginn des DDR-RockzeitaltersEnde der 60-er Jahre stark gebremst. Eine einzige Plattenfirmapresste die Werke der ostdeutschen Rocker. Da hieß es erstmal hintenanstellen. 1974 durfte die «Electra-Combo» ran. Zu der Zeit hatte siebereits eine feste Fangemeinde. Beim zweiten Album «Adaptionen»(1976) hüllte «Electra» Werke «alter Meister» wie Bach, Mozart undGrieg in ein neues Gewand. Die Kritik horchte auf. Electra standseitdem für kunstvolle Rockmusik.
Ein anderer «Alter Meister» wurde zum größten Erfolg der Band:1980 widmete sie dem Gemälde «Sixtinische Madonna» von Raffael ausder Dresdner Gemäldegalerie eine Rocksuite - das anspruchsvolle Werkverkaufte sich allein zu DDR-Zeiten 180 000 mal. Mit wachsendemZuspruch weitete sich der Aktionsradius. Ab 1982 durften Aust & Co imWesten konzertieren, in der Ex-Sowjetunion füllten sie riesigeHallen. Mitte der 80er Jahre gab es eine stilistische Öffnung inRichtung Popmusik. «Wir waren begeistert von neuen Trends und wolltendem auch musikalisch Rechnung tragen», sagt Aust.
Im Sommer 1989 hatte «Electra» den Titelsong der siebten Plattefertig: «Der aufrechte Gang». Dann ging die Mauer auf und diePlattenfirma Amiga unter. Der Aufforderung zum «aufrechten Gang»schien den Musikern nun durch massenhaften Gebrauch bei politischenDiskussionen abgegriffen. Das Werk blieb in der Schublade und gerietin Vergessenheit - bis 2004. Als die Plattenfirma BMG den Dresdnernvorschlug, eine Box mit allen sieben Alben zu veröffentlichen, fragtesie nach neuem Material für eine achte Scheibe. Aust reichte ein paarder vergessenen Songs ein und landete einen Treffer.
«Mit Hartz IV und anderen Problemen waren die Titel plötzlichwieder aktuell», sagt der Bandleader. Für die Zukunft will er neue«Electra»-Songs nicht ausschließen. Stress wollen sich die altenHerren freilich nicht machen. Wer Sänger Stefan Trepte oder Ex-Drummer Peter Ludewig beim Proben sieht, spürt das Feuer alter Tage,aber auch Gelassenheit. «Wir machen nur 20 bis 30 Auftritte im Jahr -mehr muss nicht sein, keine Routine», sagt Aust. Die meisten habennoch einen Job als Musiklehrer und sind auch so beschäftigt.
Konzertmanager Aust kann ohne Musik ohnehin nicht leben. Bevor ermorgens ins Büro geht, übt er eine Dreiviertelstunde Querflöte. Musiksei ja nicht wie Malerei, wo der Künstler von Zeit zu Zeit immer malwieder einen Pinselstrich machen könne, meint der 59-Jährige. Bei derParty zum 35. Geburtstag haben sich mit dem Jazzer Conny Bauer undLiedermacher Reinhard Lakomy zwei Größen aus der Szene angesagt. Nunhofft Aust auf ein volles Haus.