Musik Musik: Amerikaner vertont Folter von Abu Ghraib

Moritzburg/dpa. - Der Amerikaner John Harbison (70) hat mit einer Komposition an den Folterskandal im irakischen Gefängnis Abu Ghraib erinnert. Am Dienstagabend erklang das gleichnamige Werk für Cellound Klavier erstmals in Europa - beim renommierten MoritzburgFestival.
Das Publikum im barocken Jagdschloss Moritzburg bei Dresdenspendete dem Komponisten und den Interpreten Jan Vogler (Cello) und Antti Siirala aus Finnland (Klavier) lange Beifall - beizeitgenössischer Kammermusik durchaus nicht selbstverständlich.
Abu Ghraib war schon unter dem irakischem Diktator Saddam Hussein ein berüchtigtes Gefängnis. Doch auch nachdem US-Truppen die Haftanstalt übernahmen, kam es zu Misshandlungen irakischer Insassen durch amerikanische Soldaten. Harbison ging es nach eigenem Bekunden nicht um eine Bewertung der Vorfälle, die weltweit für Empörung sorgten. «Meine Komposition ist kein Protest, auch keine moralische Lektion. Das Werk sucht nach Tönen, nach Musik für einen Moment, in dem Worte versagen», schrieb er ins Programmheft.
15 Minuten lang tönt Harbison gegen das Vergessen. Der Komponistspricht von einem schrecklichen Ereignis in der Geschichte der USA.Das Stück ist in zwei Szenen und zwei Gebete gegliedert. Szene 1 sollmit Harmonie und damit ironischer Brechung das Absurde und Abwegigedes Tatortes thematisieren. Szene 2 basiert auf einem irakischenLied, das Harbison 1962 für eine Sammlung «Wiegenlieder der Welt»transkribierte. Aber auch der Antikriegssong «Machine Gun» von JimiHendrix wird in «Abu Ghraib» zitiert.
Harbison gehört zu den bekanntesten Komponisten der USA, inDeutschland ist er noch weitgehend unbekannt. Auch im Jazz und alsDirigent verdiente er sich Meriten. Für die Kantate «The Flight IntoEgypt» erhielt er 1987 den Pulitzer-Preis. Die Metropolitan Opera inNew York bestellte ein Auftragswerk bei ihm - «The Great Gatsby»wurde 1999 erfolgreich uraufgeführt. Beim Moritzburg Festival istHarbison nun «Composer-in-Residence». In den kommenden Tagen sindweitere Stücke von ihm zu hören.
Werke von Carl Maria von Weber (Trio für Klavier, Flöte und Cellog-Moll) und das Streichquintett G-Dur von Antonin Dvorak umrahmten amDienstag Harbisons Werk. Das vom Publikum begeistert aufgenommeneKonzert vereinte Künstler aus mehreren Ländern. Neben Jan Vogler, demLeiter des Moritzburg Festivals, und seinem Bruder Kai Vogler (Geige)wirkten die Amerikanerin Marina Piccinini, die Briten Alexandra Scott(Kontrabass) und Guy Johnston (Cello), die Französin Lise Berthaud(Bratsche) und der Russe Michail Simonjan (Geige) mit.
