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Musicaltheater Musicaltheater: Hinter den Kulissen von «Dirty Dancing»

Von Wolfgang Duveneck 10.08.2006, 09:43
Der Technischer Leiter des Produktionsunternehmens Stage Entertainment, Dennis Krauss, sitzt in Hamburg in einem funkferngesteuerten Auto, mit dem der Hauptdarsteller des Musicals «Dirty Dancing» immer auf die Bühne fährt. (Foto: dpa)
Der Technischer Leiter des Produktionsunternehmens Stage Entertainment, Dennis Krauss, sitzt in Hamburg in einem funkferngesteuerten Auto, mit dem der Hauptdarsteller des Musicals «Dirty Dancing» immer auf die Bühne fährt. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - «DirtyDancing», der Erfolgsfilm von 1987 mit Patrick Swayze, ist fast 20Jahre später zur Erfolgsshow auf der Bühne geworden. Die Inszenierungeines Kultfilms im Theater - eine Herausforderung nicht nur an dieSchauspieler, sondern vor allem auch an die Bühnentechnik. Bis inskleinste Detail ist alles ausgeklügelt, modernste Computertechnik undrobuste Maschinen machen die Illusion, Gäste in Kellerman'sFerienclub zu sein, für die Besucher nahezu perfekt. Ein Blick hinterdie Kulissen ist - fast - so spannend wie die Aufführung.

Schon Stunden, bevor die ersten Zuschauer das Theater betreten,wird es vor und hinter der Bühne lebendig. Dennis Krauss, technischerLeiter beim Produktionsunternehmen Stage Entertainment, und seineKollegen nehmen alles unter die Lupe - vom kleinsten Scheinwerferüber das funkferngesteuerte Auto, mit dem Hauptdarsteller Martin vanBentem alias Johnny später auf die Bühne fährt, bis zu denAntriebsmotoren für die Kulissen. Krauss arbeitet seit zehn Jahren indem Unternehmen, hat Inszenierungen wie «Phantom der Oper», «Titanic»oder «Tanz der Vampire» miterlebt.

17 Uhr: Dennis Krauss unternimmt einen Rundgang. Erste Station:die Unterbühne, 3,96 Meter unter der Hauptbühne. Dort befindet sichin einem mannshohen Metallschrank der Steuercomputer für die Bühne.«Ein schlaues Gerät», sagt Krauss schmunzelnd. Das Gerät meldet diekleinste Störung sofort weiter an den Maschinenbetriebsführer, der ineinem kleinen Raum in zwölf Meter Höhe alles steuert und überwacht.Ein komplizierter Antrieb unter der Bühne macht's möglich, dass sichdie Podien bewegen können.

Vier synchron geschaltete Motoren sorgen für die Drehung, übermächtige Schubketten werden sie auf- und abwärts bewegt. «Immerhinschaffen sie ein Gewicht von etwa zwei Autos», erläutert Krauss,dessen Arbeitskleidung die gleiche Farbe hat wie die Wände hinter denKulissen: schwarz. «Das ist bei uns im Theater unter anderem deshalbwichtig, um Streulicht und Lichtreflexe zu vermeiden», erklärt er.Auf gleicher Höhe steht eine Nebelanlage, die während der Aufführungden Zuschauern die Illusion geben soll, dass aus einem See Dunststeigt. «Verflüssigter Stickstoff wird darin mit warmem Wasser inVerbindung gebracht», erläutert der technische Leiter das leichtdampfende Gerät, von dem aus dicke Schläuche nach oben in RichtungBühne führen.

17.30 Uhr: Die 2000 Plätze im dunklen Saal sind leer, auf der hellerleuchteten Bühne steht einsam Dennis Krauss. Rund 150 Scheinwerfersind auf ihn gerichtet. Über ein Funkgerät ist er mit seinemKollegen Frank Seidel im Schaltzentrum für die Bühnentechnikverbunden. Der Maschinenbetriebsführer sitzt in einem kleinen Raummit acht Monitoren in zwölf Metern Höhe. Das Steuerpult wirkt wie derFührerstand in einer modernen Lokomotive: Monitore mit so genanntenTouch-Buttons, die bei Bildschirmberührung reagieren, dazu einFußschalter. Der sorgt für eine zusätzliche Sicherung, damit nichtungewollt ein Befehl ausgelöst wird. Schließlich kann ein einzigerKnopf bis zu 40 Antriebe auslösen.

«Podium eins auf plus 80», beauftragt Krauss seinen Kollegen. Unddann folgt noch ein obligatorisches «go». Sekunden später hebt sichein Teil der Bühne 80 Zentimeter hoch. «Standby für dreiVogelhäuschen - go», lautet das nächste Kommando. Ferngesteuertöffnen sich am vorderen Rand des Bühnenbodens drei Kästen. Zweienthalten Scheinwerfer, der Dritte eine Live-Kamera. Ähnlich werdendie anderen beweglichen Teile der Bühne getestet. Auch eineversenkbare Tür wird überprüft, Kulissen und Lampen werden von derDecke herabgelassen und wieder heraufgezogen.

Dann die Probe für eine der spektakulärsten Szenen: Ein 18 Meterhoher Baum, auf dem das Tanzpaar später balancieren wird, senkt sichlangsam auf die Bühne. Gefertigt ist er aus glasfaserverstärktemKunststoff, wie er im Flugzeugbau verwendet wird. «Alles perfekt»,freut sich Krauss. Und auch eine Leinwand mit einer großen grünenWiese und der See, in dem Johnny und Baby in dem Stück die Hebefigurtrainieren, werden herabgelassen und wieder eingezogen. Unterstütztvon Filmsequenzen auf einer überdimensionalen LED-Wand, mehrerenProjektoren und Lichteffekten wirkt der See später aus Zuschauersichtfast echt. Die 24 Quadratmeter große Leuchtwand ist über weiteStrecken das Herzstück des Bühnenbildes. Sie wurde speziell für dieShow entwickelt.

Einen kritischen Blick wirft der Technikchef auch auf dennachgebauten amerikanischen Straßenkreuzer hinter den Kulissen, derwährend jeder Vorstellung nach der ersten Szene unbemerkt vomPublikum auf kompliziertem Weg hoch Kant aufgestellt perMotorkettenzug für eine weitere Szene auf die andere Seite der Bühnegebracht werden muss. «Die Gänge sind zu eng, so dass er nicht aufnormalen Weg dorthin geschoben werden kann», sagt Krauss. Im Heck desWagens ist eine große Soundanlage installiert, damit dasMotorengeräusch auch unmittelbar aus dem Fahrzeug kommt. Und damitdie Fahrt in dem Wagen, der auf einem fernsteuerbaren Antriebsteilaufgebockt ist, auch täuschend echt wirkt, bewegen sich die zumindestRadkappen der äußeren Räder.

Noch verwaist ist um diese Zeit die Lichtregie etwa zehn Meterhoch an der Rückseite des Zuschauerraums im Parkett hinter einergroßen Glasscheibe, wo Beleuchtungsmeister Stephan Kirschner undVideo-Operator Frank Noetzel an diesem Abend arbeiten werden.Herzstück der Anlage ist ein Mischpult mit zwölf mal 512 Kanälen zurSteuerung von 666 herkömmlichen Scheinwerfern, 155 Farb-Scrollern, 33Wolkenprojektoren, elf Spiegelkugeln und drei Sternenhimmeln.

Wo sonst auf den Monitoren die Schauspieler aus der Nähe zu sehensind, ist jetzt noch eine Putzfrau aktiv. «Sie reinigt dieBühnenoberfläche mit einem Spezialmittel, das den Boden für dieTänzer besonders herrichtet - nicht zu stumpf, aber auch nicht zuglatt», verrät Krauss. Unterhalb der Lichtregie im Zuschauerraumbereitet sich Tonmischer Wolfram Machhold auf seinen Einsatz vor. Ersitzt vor einem Mischpult, das jeden Discjockey vor Neid erblassenlassen würde.

Auf der Bühne schieben einige Helfer probeweise Teile derKüchenkulisse zurecht. «Gestern Abend ließ sich der Kühlschrank nichtöffnen», berichten die Techniker. Ursache war eine falsche Position.Längst sind auch die meisten Schauspieler eingetroffen, beginnen mitdem Schminken, setzen ihre Naturhaar-Perücken auf. Ganze Arbeitleistet Tag für Tag die Kostümabteilung, die die Garderobe für jedenDarsteller bereit hängt, wenn notwendig ausgebessert und gereinigthat. Im Haus gibt es dafür extra einen Reinigungsraum mitProfiwaschgeräten und Handwaschwannen, vieles aber wird auch inReinigungen gegeben.

19 Uhr: Hauptbrandmeister Frank Purfürst von der HamburgerFeuerwehr meldet sich zum Dienstbeginn. Er ist quasi einer derwichtigsten Mitarbeiter hinter den Kulissen, ohne ihn könnte die Shownicht beginnen. Denn Sicherheit ist oberstes Gebot. Er gibt DennisKrauss das Signal, den eisernen Vorhang überprüfen zu lassen. Dastonnenschwere Monstrum soll im Notfall verhindern, dass einBühnenbrand auf den Zuschauerraum übergreifen kann. Kurz darauf senktsich der Vorhand mit Hilfe eines Elektromotors, dann hebt er sichwieder. «Alles in Ordnung», sagt der Hauptbrandmeister. DerVorstellung steht nichts mehr im Weg. Stage-Manager Achim Beyerüberprüft zu diesem Zeitpunkt, ob alle Akteure anwesend sind - dannist bis 19.30 Uhr Pause.

Alle zehn Minuten kommt von nun an für die Mitwirkenden eineAnsage hinter den Kulissen, damit zum «Standby» punkt fünf Minutenvor acht alle anwesend sind. Jeder wartet auf die Meldung aus demvorderen Teil des Theaters: «Einlass beendet, Türen zu». Und wennStage-Manager Achim Beyer durchgibt «Show läuft», dann gibt es keinZurück mehr. Sekunden später der erste Auftritt von Frances Houseman:«Es war im Sommer '63, alle nannten mich Baby, und irgendwie hat mirdas gefallen. Es war, bevor Präsident Kennedy ermordet wurde, bevores die Beatles gab und als ich es nicht abwarten konnte, derFriedensbewegung anzugehören. Das war der Sommer, in dem ich dachte,dass ich nie einen Jungen finden würde, der so toll ist wie mein Dad.Es war der Sommer, den wir bei Kellerman's verbrachten.»

Zwei Stunden und 50 Minuten dauert die Vorstellung, einschließlicheiner 20-minütigen Pause. Für die Akteure ist die Show mit demSchlussapplaus noch nicht beendet. Erst wenn der Stage-Managerberichtet hat, was in der Vorstellung gut und was nicht so gutgelaufen ist, können Schauspieler und Techniker das Haus verlassen.Viele treffen sich dann aber noch im ersten Stock des Hauses in derKantine.

Acht Vorstellungen gibt es pro Woche. Samstags und sonntags jezwei, montags ist Pause. Am bisherigen Publikumsinteresse gemessen,gehen die Veranstalter von einer Spieldauer über mehrere Jahre aus.