Moritzburg in Halle Moritzburg in Halle: Bildhauer und Burg-Absolvent Marc Fromm wird geehrt

Halle (Saale) - Marc Fromm, 45 Jahre alt, gebürtiger Hesse, Wahl-Hallenser, Burg-Absolvent und mehrfacher Stipendiat der Landeskunststiftung, bekommt am Samstag den Kunstpreis des Landes Sachsen-Anhalt verliehen, dotiert mit 7 500 Euro. Schauplatz ist die Moritzburg, und um für das Zeremoniell auch etwas vorweisen zu können, stellt er dem Kunstmuseum ein Werk zur Verfügung, das er für sein bestes hält. Er hat es sogar von dessen Eigentümer, einem Sammler in Tschechien, ausgeliehen und eigens zurückgeholt. Dabei ist „Lolette“ schon vor fast zehn Jahren entstanden – „Besseres“ im Sinne des Künstlers gibt es also nirgends.
Das muss niemanden grämen, denn mit „Lolette“ hat er ein Niveau erreicht, dem er treu geblieben ist. Holz ist dem Bildhauer Fromm das Medium, das seinem künstlerischen Wollen am ehesten entspricht, auch wenn er keine Berührungsängste zu Materialien, Techniken und Requisiten hat, die nicht ins klassische Bild vom Holzschnitzer passen, wenn sie nur seinem Anliegen entgegenkommen.
Das in Halle bekannteste ist das Laufband mit den Winkekatzen, das aus dem Garten der Kunststiftung in den Straßenraum hinausragt und die Passanten auf amüsante Art darüber informiert, dass die Kunststiftung das „Sprungbrett“ und das „Förderband“ der hoffnungsfroh die Karriere herbeiwinkenden jungen Künstler ist. Dieselben Mittel kann er aber auch in einer ganz und gar nicht mehr harmlos-heiteren Weise einsetzen. Die Anspielungen von Förderband und Winkekatzen sind in einem noch gar nicht ausgestellten neuen Werk - das er auf seiner Webseite in einem Video zeigt - auf ein extrem aufgeladenes Thema gelenkt.
Man sieht ein Boot voll mit übereinander gestapelten Winkekatzen, das auf Meereswellen seinem unvermeidlichen Umkippen entgegensteuert, während auf den Förderband-Wellen schon Köpfe, Arme und Beine schaukeln. Noch der Titel unterstreicht den gewollten Zynismus dieses Werks, denn wie in „Lampedusa, good luck!“ hält Fromm den medialen Blick auf das Ertrinken riskierende Flüchtlinge schon für allzu abgestumpft. Aber zurück zu „Lolette“. Man muss schon sehr genau hinschauen, dass Fromm die dargestellte häusliche Szenerie einer drangvollen Enge stil- und besinnungslos angesammelter, zugleich etwas heruntergekommener Gegenstände nicht gemalt, sondern aus Holz geschnitzt hat. Er gewinnt dem Flachrelief eine verblüffende malerische Qualität ab. Zugleich ist die Szene unverkennbar eine Anspielung auf eine Ikone, wenn nicht die Gründungsurkunde der Pop Art, die Collage „Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing“ (1956) von Richard Hamilton.
Es war immer eine offene Frage, ob Hamilton mit seinem grotesk überzeichneten, in Werbesprache angepriesenen Wohlstandsidyll des „so einzigartigen, so verlockenden Heims“ Konsumkritik meinte, Fromm jedenfalls nimmt sie für sich ausdrücklich nicht in Anspruch.
Bemerkenswerte Hintergrundgeschichte
Schon die Geschichte hinter dem Relief ist zu bemerkenswert, um ihren Inhalt allzu rasch in eine Schublade zu stecken. Auf der Suche nach Menschen mit „authentischen Gesichtern“ und ebensolchen Lebensumständen stieß er in Berlin auf eine alternde Prostituierte, die zu einem Porträt in Fromm-Manier bereit war.
Sie hatte ihren ganze private Innenwelt von der „Arbeitswelt“ ihres Wohnzimmers getrennt und in die Küche hineingetragen, darunter ein furchtbar kitschiges Bild an der Wand, dem einzigen Element, das Fromm mit einem „echten“ Kunstwerk, einem holländischen Stillleben ersetzte. Dieses „malt“ er nun genauso liebevoll wie all den anderen Haushalts- und Nippeskram, als Bühne einer ebenso eigenwilligen wie verzweifelten Identitätssuche, die er bei seinem Berliner Modell fand.
Nicht umsonst geht Fromms Relieftechnik von den Schnitzaltären des Mittelalters aus. Sie zwingt ihn zu einem ähnlich vertieften Arbeiten wie seine künstlerischen Ahnen, aber während sie einer vorherrschenden Frömmigkeit dienten, findet Fromms Auseinandersetzung mit der Welt von heute statt, dem digitalen, dem modischen, schnelllebigen.
Diese Spannung zwischen seiner Werktechnik und der inhaltlichen Ebene macht Fromms Arbeiten so reizvoll, seinen sichtlich der Virtuosität an sich geweihten Landschaftsstücken und Porträts bleibt sie dagegen eher fern. Ein Publikum findet er für beides, und dazu liefert nun auch der Landeskunstpreis seine Bestätigung. (mz)
Die Preisverleihung findet am Sonnabend um 15 Uhr im Landeskunstmuseum, der Moritzburg in Halle, statt.
