Mit IC Falkenberg auf Solopfaden Mit IC Falkenberg auf Solopfaden: Ralf Schmidt besingt das "Geliebte Leben"

Halle (Saale) - Ein Stuhl an den Tisch, einen Kaffee in den Pott. Eine Zigarette in den Mund. Ralf Schmidt sitzt in seiner Küche und sieht zufrieden aus. Endlich löst sich die Spannung von vier Monaten Arbeit, endlich läuft das neue Album rund und fett aus den Boxen.
Aber läuft? Nein, es knallt, es fegt, es dröhnen die Gitarren. Ralf Schmidt, geboren in Halle, ausgebildet im Stadtsingechor, in den 80ern Sänger der Stern Combo Meißen und nebenher noch einer der erfolgreichsten DDR-Popmusiker, hat drei Jahre nach seiner letzten CD ein Solo-Album gemacht. Wo zuletzt eine Band spielte, ist der 54-Jährige, der sich Falkenberg nennt, diesmal allein zu hören. Und wo es bei „Freiheit“ noch um die wichtigste Voraussetzung von Glück ging, steht jetzt im Mittelpunkt, was noch schwerer wiegt: Das „Geliebte Leben“ (Albumtitel).
Aus dem flotten Trott gerissen
Dass seines beinahe vorbei gewesen wäre, vor etwas mehr als einem Jahr, aus heiterem Himmel, das hat den Mann mit dem eisgrauen Bart und den anmelierten Schläfen geschockt. Einer wie Schmidt, aktiv, dauerkreativ und in Gedanken immer schon beim nächsten Lied, aus dem flotten Trott gerissen. Nicht mehr unterwegs zum nächsten Gig, zum nächsten Studiotermin. Sondern ans Bett gefesselt, im Krankenhaus. „Ich musste mich danach neu zusammensetzen“, sagt der Mann, den in seiner Jugend alle „Schmatt“ nannten. Ein neues Tempo finden, neue Themen. Falkenberg hat Lieder geschrieben, die von kräftigen Gitarren mit Neil-Young-Sound leben oder zarte Klavierballaden sind.
Die Furcht ist verschwunden
Zwei davon umspannen die zwölf neuen Stücke: „Vom Anfang“ ist ein elegisches Instrumentalwerk wie einst „Turm 22“ vom Album „So nah vom nächsten Meer“. Nur Falkenberg am Klavier, Musik zu einem Film, der im Kopf abläuft, bis der Titelsong mit einem prägnanten Gitarrenriff hereinplatzt. „Geliebtes Leben / wir sind so weit gekommen / und bis nichts mehr bleibt / will ich alles von dir“, singt Falkenberg eine Art Kombination des ewigen Rockmotivs vom schnell leben und jung sterben und der Jethro-Tull-Erkenntnis, dass man eines Tages zu alt ist, um noch jung zu sterben. Dann endlich ist die Furcht verschwunden. „Der Tod ist nur ein Moment“, heißt es hier.
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Wer einmal kurz davor gewesen ist, dem geht die Angst, aber auch alle Romantik flöten. Falkenberg, in seiner Jugend Punk und später trotzdem von der lokalen Rockband Joker zu Stern Meißen gelockt, rechnet ab mit der Welt, aber auch mit sich selbst. Der „Tag ohne mich“, wie er die Stunden nach seinem Zusammenbruch nennt, wird konkret nur in „Grandios gescheitert“ besungen. Findet sich aber als Grundmotiv fast überall eingewebt, bis hin zur rockigen Neueinspielung von „Dein Herz“, mit dem der Komponist, Texter, Arrangeur und Produzent den Kreis schließt zu seinen Anfängen als IC Falkenberg. 1988 war das ein Hit, der auf Saxophon-Flügeln fluffig leicht aus jedem Radio flatterte. Heute mischt sich ein nachdenklicher Ton ins Zwiegespräch der E-Gitarren.
Ein beziehungsreiches Zitat, zielt es doch nach innen wie das ganze Album. Wo der Vorgänger „Freiheit“ noch ein elektrifiziertes Band-Album war, auf dem der Sympathisant der Protest-Bewegung Occupy den Mut zum Widerstand in folkigen Kampfgesängen mit Ohrwurmqualität feierte, tritt Solo-Album Nummer sechs seit der Singer-Songwriter-Werdung des Popstars mit dem Album „Agonie+Ekstase“ einen Schritt zurück und zugleich einen zur Seite.
Die Lieder, aufgenommen nur mit Unterstützung vom früheren Baby-Universal-Drummers Friede Hentze, sind lauter, die Töne dennoch leiser. Falkenberg spielt schwere Gitarren, gern auch verzerrt, er variiert die Instrumentierung, setzt mal auf tiefergelegte Stimmungen, die die bedrückende Geschichte eines alten Rodeo-Clown erzählen, mal spielt er leichte, perlende Klavierläufe, zu denen er „Was würdest Du tun“ fragt - „wenn dein Land ein Krieg wär’?“
Keine Handreichung
Ein Stück, wie geschrieben zum Flüchtlingsdrama in Syrien, zu Asyldebatte und Pegida-Streit. „Lange vorher entstanden“, sagt Falkenberg. Wie auf jedem einzelnen der paar Milliarden Live-Alben namens Leben gibt es hier keine Welterklärung, keine Handreichung zum Verständnis aktueller Politik. Nur Lieder über Leute wie den Wichtigtuer aus „Independentfilm“ oder die Type des „Menschsammlers“, die so laut spricht, weil sie nichts zu sagen hat.
Ralf Schmidt wurde in Halle geboren, wo er auch aufwuchs und beim Stadtsingechor singen lernte. 1983 holte ihn die Artrock-Band Stern Meißen als neuen Sänger. Als Frontmann modernisierte Schmidt den Rockdino, zudem veröffentlichte er als IC Falkenberg zwei Soloalben, die ihn zu einem der erfolgreichsten DDR-Künstler machten.
Mit einem Heimspiel im halleschen Kult-Klub Objekt 5 feiert Falkenberg am Samstag die Premiere seines neuen Albums. Begleitet wird er von Friede Hentze am Schlagzeug, Adrian Kehlbacher (bg) und Thomas Hübel (git).
Konzerte in der Region: 2. Mai, 20 Uhr, Dessau, Schwabehaus (solo) 9. Mai, 20 Uhr, Kirche am Leipziger Tröndlinring 7 (mit Band) CD und Tickets: www.objekt5.de, www.tim-ticket.de, www.falkenberg-musik.de.
Die Sympathien des Sängerdichters sind bei den Verlierern, bei denen, die grübeln und Fragen stellen. Es geht um Liebe wie in „Deine tanzenden Vögel“, um das Liedermachen wie in „Lied N8“ oder um das Sterben wie im hymnischen „Staub“, mit dem Falkenberg ein Finale findet, in dem Pathos und Wahrhaftigkeit miteinander tanzen. „Ich will Staub sein“, singt er. Dann übernimmt das Klavier noch einmal und ein wuchtiges Instrumentalstück vereint Klassik und Rock. „Bis zum Ende“ heißt das. Der letzte Ton klingt lange nach. (mz)
