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Mireille Mathieu  Mireille Mathieu: Schlagerstar aus Frankreich hat 70. Geburtstag

Von Andreas Montag 21.07.2016, 22:00
Züchtig geschlossenes Kleid, Schülerinnen-Schleifchen: Mireille Mathieu bei einem Auftritt im April 1970.
Züchtig geschlossenes Kleid, Schülerinnen-Schleifchen: Mireille Mathieu bei einem Auftritt im April 1970. dpa

Halle (Saale) - Wenn der kommerzielle Erfolg allein das Maß der Dinge wäre - auch in dieser Kategorie ist sie bei den Gewinnern: Mehr als 130 Millionen Tonträger sind mit ihrem Namen verkauft worden. Weltweit.

Und wenn sie eine Konzertbühne betritt, wie im März vergangenen Jahres in der halleschen Händel-Halle, fliegen ihr die Herzen zu. Seit 50 Jahren ist das so, unverändert.

Was aber ist das Geheimnis der Sängerin Mireille Mathieu, die am Freitag ihren 70. Geburtstag feiert? Wie schafft sie es, ihre Ausstrahlung frisch zu halten, damit sie nicht nur die treuen, alten Fans, sondern auch ein jüngeres Publikum erreichen kann?

Das bewirkt an erster Stelle ihr wichtigster Schatz: die Stimme. Sie hat über all die Jahre nichts an Kraft eingebüßt und strahlt mit dem Lächeln der Mathieu um die Wette. Da steht keine alternde Diva, der man ein paar wegrutschende Töne mitfühlend nachsehen müsste, sondern ein Profi des Show-Geschäfts.

Alles hat sich auf diese klare, tragende Stimme konzentriert, von Anfang an. Unvergesslich für Ältere, wie sie in der Show von Hans-Joachim „Kuli“ Kulenkampff auftrat, Ende der 60er Jahre, als ihre Karriere begann.

Zierlich stand sie neben dem Entertainer, in einem langen, dunklen Kleid, das mit Sternen besät war - silbernen vielleicht. Die bunten TV-Bilder hatten ihren Siegeszug in die Wohnstuben noch nicht angetreten.

Eine faszinierende Wirkung auf die Zuhörer

Und mit einem Mal hatte der Knabe, der ein Schlagerfan war und ausnahmsweise am Samstagabend zum Westfernsehen bei den Nachbarn mitkommen durfte, seine bisherigen Helden fast vergessen: Bärbel Wachholz, Helga Brauer, Peggy March wurden in die zweite Reihe versetzt.

Die Wirkung der Mathieu ist faszinierend. Zumal in Deutschland, egal ob Ost oder West, waren und sind die Menschen begeistert von der Künstlerin. In solchen Fragen hat die Einheit früh funktioniert.

Das Magische an der nur 1,53 Meter großen Frau, die immer noch mit einem schwarzen Pagenkopf als Markenzeichen auftritt, hat allerdings wohl auch mit einem weiteren Phänomen zu tun: Mireille Mathieu hat zwar stets und hingebungsvoll von großen Gefühlen gesungen, blieb dabei als Person aber immer äußerst dezent - um nicht zu sagen asexuell.

Das mutet in Zeiten, da es auch in dieser Hinsicht keine Tabus mehr zu geben scheint, schon antiquiert, aber auch wohltuend an. Mögen sich Madonna, die allmählich in die reiferen Jahre kommt, Britney Spears, die als Hannah-Montana-Darstellerin berühmt gewordene Miley Cyrus oder Lady Gaga so provozierend und schrill präsentieren, wie sie wollen - Mireille Mathieu ist von einem anderen Stern.

Und das Schülerinnen-Schleifchen, mit dem sie ihr Kleid als junge Frau gern schmückte, hängt ihr lebenslang an.

Skandale hat die Sängerin nie verursacht. Sie ist katholisch und nimmt das auch ernst. Es gibt keine erotischen Eskapaden, jedenfalls ist über keine berichtet worden. Männer habe sie wohl schon gekannt, heißt es. Aber sie war nie verheiratet und hat auch keine Ehe Dritter zerstört. Und nie ist sie betrunken von der Bühne getorkelt. Einfach unvorstellbar.

Die Mathieu ist eine Ikone der Reinheit und des Frohsinns der unschuldigen Art. Sie strahlt positive Energie aus und bringt dem Publikum, was es brauchen kann: Freude.

Vielleicht liegt es genau daran, dass Lady Gaga mit spürbarer Bewunderung bekannt hat, sie würde gern mal gemeinsam mit Mireille Mathieu auftreten. Warum auch nicht, Duette hat sie viele gesungen - mit dem Klassikstar Plácido Domingo wie den Schlagerhelden Peter Alexander und Frank Schöbel. Da kennt sie keine Scheu. Es fragt sich nur, ob die Amerikanerin mit der Französin mithalten kann, rein stimmlich gesehen.

Mireille Mathieu kommt aus bescheidenen Verhältnissen

Der Spatz von Avignon, der seit vielen Jahren in Paris lebt, ist allerdings stets auch wegen seines schwierigen Lebensstarts bewundert worden. Wenn Menschen es aus ärmlichsten Verhältnissen nach ganz oben schaffen, weckt das allemal Empathie und tröstet einen obendrein über manch eigenen Kummer hinweg.

Als Älteste von 14 Geschwistern in mehr als bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, hat die Mathieu frühzeitig die Schule verlassen, in einer Fabrik gearbeitet und so zum Lebensunterhalt der Großfamilie beigetragen. Später, als sie ein Weltstar geworden war, hat sie gewiss besser helfen können.

Dass ein arme, junge Frau nicht nur an sich glaubt und ehrgeizig ihren Weg geht, sondern auch Leute trifft, die sie fördern - es ist eine Geschichte, die man Hollywood zutrauen würde. Aber Mireille Mathieu ist sie wirklich passiert. (mz)

Mireille Mathieu in der halleschen Händel-Halle im März 2015.
Mireille Mathieu in der halleschen Händel-Halle im März 2015.
Günter Bauer