Michael Nyman Michael Nyman: Schnelle Welle zwischen Minimal Music und Barock
HALLE/MZ. - Arthaus Musik produziert ein cineastisches Porträt über den britischen Komponisten, Pianisten und Dirigenten, der Soundtracks für Peter Greenaway schrieb und mit der Filmmusik zu Jane Campions "Piano" seinen größten kommerziellen Erfolg feierte.
Nach Halle reisten Nyman und Band, weil Georg Friedrich Händel in seinem neuen Opus "The Musicologist Scores" vorkommt. Nur wie, hieß die spannende Frage. Die Besetzung war Teil der Antwort, der Begriff von der Jazzband mehr als gelinde untertrieben: Zwar stellten sich, inklusive eines rasend ambitionierten Streichquartetts, nur zwölf Musiker ein, die aber beherrschten das komplette Big Band-Instrumentarium. So wechselte der Sound zwischen Jazz- und Kammerorchester, und die Tontechnik katapultierte ihn in sinfonische Dimensionen.
Die Musik selbst, eine lose Versammlung sehr und weniger gelungener kompositorischer Ideen, erwies sich als nur bedingt geeignet für das Konzertformat. Gedankensplittern gleich, flogen einem potenzielle Soundtracks en bloc um die Ohren: mit bezwingender Motorik und hämmernder Stringenz in psychedelische Sphären strebend, als wären sie auf Speed. Fröhlich bis aggressiv im Habitus, aus dem Nichts beginnend und jäh abreißend. Gut gemacht und exzellent gespielt, was angesichts der rhythmischen und klanglicher Fallhöhe einige Anerkennung verdient. Aber Händel? Der kam allenfalls am Rande vor. Mal in der Bauweise, wenn der Satz an eine französische Ouvertüre oder an ein Concerto erinnert. Mal in der terrassenartigen Anlage, in der metrischen Entschiedenheit und der Vorliebe für melodische Formeln und Sequenzen. Oft in der Harmonik, die reich an Paralleltonarten und mediantischen Beziehungen ist.
Das Ergebnis kommt als funkelnde Stilmischung daher und passt weder ins E-Musik- noch ins Pop- oder Jazzfach. Es zeigt aber viele verblüffende Verwandtschaften zwischen Minimal Music und Barock, ist absolut positiv, grell und elektrisierend in der Ausstrahlung. Bisweilen machte es sogar Spaß.
Der Meister selbst saß in der Regel vor der linken Tastaturseite des Flügels und bediente das tiefe Register zur harmonischen und metrischen Grundierung seiner Ellipsen - ein modernes Basso continuo, wenn man so will. Solistisch trat Nyman kaum in Erscheinung. Der Haufen zahlloser provisorisch geklebter Notenblätter, aus denen er zielsicher den jeweils richtigen klaubte, amüsierte das Publikum sehr. Weitere Interaktionen mit der Bühne gab es nicht, außer Jubel und Verbeugung natürlich. Auch wenn den Zuhörern, die noch in der Pause zum Sitzenbleiben verpflichtet wurden, nicht mehr als eine Statistenrolle zukam: Zur Referenz an den Medienstandort Halle geriet das Ereignis allemal.