Michael Degen Michael Degen: «Ohne Theater kann ich nicht sein»

Hamburg/dpa. - «Mit dem Holocausthat man sich auseinandergesetzt. Aber was ist mit der heutigenSituation der Juden in Israel? Die Auseinandersetzung damit läufteinen völlig verkehrten Weg», meint Degen. Der Künstler, der amMittwoch (31. Januar) 75 Jahre alt wird, gehört zu den populärstenund vielseitigsten Darstellern auf der Bühne wie im Fernsehen.
Besonders aufgebracht haben den in Hamburg lebenden Schauspielerdie Querelen über die Berliner Ehrenbürgerschaft für Wolf Biermann.Dass Biermanns Kritik an der ablehnenden Haltung von Alt-KanzlerGerhard Schröder (SPD) zum Irak-Krieg zu einem Streit über dieEhrenbürgerschaft geführt hatte, hat Degen mehr als empört. «Es hatmir den Atem verschlagen», sagt der Autor. Mit seiner eigenen Zeit inIsrael Anfang der 50er Jahre befasst sich Degens Buch «Mein heiligesLand», das in wenigen Wochen erscheint - die Fortsetzung seinerBiografie «Nicht alle waren Mörder».
Die Vergangenheit holt Degen, der 1943 in letzter Sekunde vor denNazis fliehen konnte, immer wieder ein. Zwei Jahre lang musste ersich mit seiner Mutter im Berliner Untergrund verstecken, lebte inständiger Todesangst davor, entdeckt zu werden. Das Schreiben darüberwar ihm schwer gefallen, hatte Wunden aus der Kindheit wiederaufgerissen. «Ich würde gern nicht mehr zurückschauen, aber es lässtmich nicht los», erzählt der gebürtige Chemnitzer. Immer wiedererhalte er Angebote dazu von Film und Theater, zu Vorträgen undLesungen. Doch inzwischen lehnt Degen vieles ab: «Ich kann nichtmehr, habe genug dazu gesagt.»
Der Schauspieler, dessen Vater im KZ Sachsenhausen gestorben war,hat das Thema Holocaust nie gescheut. Er spielte einen jüdischenLageraufseher in Peter Zadeks «Ghetto» und übernahm die Hauptrolle inGeorge Taboris Albtraumspiel «Die Kannibalen», in dem jüdische KZ-Häftlinge aus Hunger und Verzweiflung einen Mithäftling erschlagenund essen wollen. Im TV-Spiel «Geheime Reichssache» verkörperte ergar Hitler. Den von Dani Levys Film «Mein Führer» ausgelöstenDiskussionen, ob man Hitler satirisch aufgreifen darf, entgegnetDegen: «Wenn man sich früh genug über diese Bestie lustig gemachthätte, wäre er vielleicht gar nicht an die Macht gekommen.»
Noch immer gilt Degens wahre Liebe der Bühne. «Ohne Theater kannich nicht sein», sagt der vielseitige Künstler. Vor allem dieDarstellung zwiespältiger Charaktere schätzt er. «Wenn ich meinenSpaß daran habe, dann mag ich auch die Arbeit fürs Fernsehen. Nurlangweilen darf es mich nicht, denn das ist furchtbar.» Mit seinemprägnanten Gesicht veredelte er Serien wie «Derrick», «Der Alte»,«Tatort» oder «Diese Drombuschs». Doch gerade im TV gab es einigeRollen, die er heute «unter keinen Umständen» mehr annehmen würde.«Die habe ich nur gespielt, weil ich das Geld brauchte», erinnert ersich. Degen ist vierfacher Vater und in dritter Ehe verheiratet.
Seine Leidenschaft für die Schauspielerei hatte Degen frühentdeckt. 1950 erhielt er ein Stipendium für die Schauspielschule desDeutschen Theaters in Berlin. Nach seinem zweijährigen Aufenthalt inIsrael holte ihn Bertolt Brecht 1954 zum Berliner Ensemble. WeitereEngagements führten Degen nach Köln, Hamburg, Frankfurt am Main,Berlin und München. «Was mich immer wieder reizen würde, wäreShakespeare. Bei ihm tritt in jeder kleinsten Figur so markant undplastisch der Mensch hervor. Er ist immer wieder Vorbild», schwärmtDegen und betont: «Wenn ein Text langweilt, ist die Arbeit eineTortur. Aber schön ist: Heute muss ich so etwas nicht mehr machen.»