Leute Merkel würdigt Einsatz von Schauspieler Matthes für Toleranz
Dass sich da zwei mögen, erkennt man auf den ersten Blick: Ex-Kanzlerin Angela Merkel hält die Laudatio auf Ulrich Matthes. Es geht um Anknüpfungspunkte von Politik und Theater. Und um die Demokratie.
Berlin - Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel hat den Einsatz des Schauspielers Ulrich Matthes für Toleranz und Menschlichkeit gewürdigt. „Gleichzeitig verweigert Ulrich Matthes konsequent jede Toleranz, wo Intoleranz und Menschenverachtung vorkommen. Diese Auseinandersetzung scheut er nie“, sagte die Ex-CDU-Chefin bei einer „Hommage“ der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) auf Matthes in Berlin. Matthes nutzte seine Dankesrede zu einer Warnung vor Rassismus und Antisemitismus.
Mit der „Hommage“ ehrt die Stiftung jährlich eine herausragende Persönlichkeit der deutschsprachigen Kultur. Matthes habe auf der Bühne wie im Film und Fernsehen beeindruckt, heißt es zur Begründung der Auszeichnung. Auch als Präsident der Deutschen Filmakademie von 2019 bis 2022 habe er Akzente gesetzt. Seit 2004/2005 ist Matthes festes Ensemblemitglied am Deutschen Theater in Berlin. Er gehöre zu „den großen Mimen unserer Zeit, der nicht zuletzt das junge Publikum für die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Problemen gewinnt“. Zu den früheren Preisträgern gehören Christo oder der 2023 gestorbene Regisseur und Intendant Jürgen Flimm.
Merkel: Toleranz Mangelware in heutiger Zeit
Merkel sagte über Matthes, dessen „Glutkern“ als Schauspieler speise sich durch seinen Blick auf die Gesellschaft. „Obwohl er aus seinen Rollen die Abgründe menschlicher Charaktere kennt, ist er im Leben ein wirklicher Menschenfreund.“ Matthes „gibt jedem eine Chance, bevor er sich eine Meinung bildet, denkt nach, bevor er etwas verurteilt. Er lebt Toleranz. Vielleicht zwingt er sich auch manchmal bewusst zu ihr.“ Sie fügte hinzu: „Das finde ich bedeutsam, denn Toleranz ist eine Mangelware in der heutigen Zeit.“
Matthes: Sylt nur die Spitze eines Rassismus-Eisbergs
Matthes sagte angesichts des Eklats über rassistisches Gegröle auf einer Party auf der Insel Sylt: „Die Ereignisse auf Sylt sind ja nur die Spitze eines Rassismus-Eisberges.“ Er habe Sorge um die Demokratie. Der Schauspieler nannte die AfD, ein zunehmendes Misstrauen vieler Menschen gegenüber Institutionen und Experten, die Gewaltbereitschaft vieler Menschen, „verbal im Netz, aber wie wir jetzt sehen müssen, vermehrt auch physisch“.
Matthes zeigte sich besorgt über „verdammten Rassismus“ und „verdammten Antisemitismus“ im Land. „Von rechts außen war er immer da, von muslimischer Seite, zunehmend auch von links“, kritisierte der Schauspieler. So komme er regelmäßig an einer kleinen Synagoge vorbei, die mittlerweile von fünf Polizisten und zwei privaten Security-Leute bewacht werde. „Es braucht heute in Deutschland sieben Menschen, um den Besuch in einem Gotteshaus von Menschen wie Ihnen und mir zu schützen. Das ist der helle Wahnsinn. Das darf nicht wahr sein“, rief Matthes.
Merkel: Begeisterung für den Schauspieler, Sympathie für den Menschen
Die Altkanzlerin und Matthes verbindet eine lange Bekanntschaft und Freundschaft. In der Öffentlichkeit ist die 69-Jährige zuletzt kaum aufgetreten. Merkel, die in ihrem typischen Kanzlerinnen-Stil mit rotem Blazer zu schwarzer Hose erschien, würdigte Matthes als charismatischen Schauspieler, der den Zuschauer durch seine Art des Spielens in seinen Bann ziehe. So hätten ihr dessen Lesungen aus Kafkas Werk „den Zugang zu dem Schriftsteller Kafka überhaupt erst eröffnet“. Die Freude, die sie bei der Laudatio für Matthes spüre, resultiere „aus meiner Begeisterung für den Schauspieler Ulrich Matthes und meiner Sympathie für den Menschen“, ergänzte sie.
Ihr Versuch, den Schauspieler Matthes zu ehren, müsse „eine laienhafte Annäherung bleiben“, sagte Merkel. Ein Anknüpfungspunkt zu ihrem „früheren politischen Alltag“ ergebe sich aber „aus dem Umstand, dass auch dort häufig Begriffe aus der Welt des Theaters Verwendung fanden“, fügte die Physikerin mit einem Augenzwinkern hinzu. „Was für ein Schauspiel die wieder abgeben“ hätten die Zeitungen oft getitelt, „wenn es um das Erscheinungsbild einer der von mir geführten Bundesregierung ging“. „Mache nicht so ein Theater“, habe sie gelegentlich jemandem zugerufen „und noch häufiger dachte ich es“ - „Begriffe aus der Welt des Theaters also, um unpassendes Verhalten im politischen Betrieb zu beschreiben“.
Matthes zu Merkel: Lauter Eigenschaften, die ich an Dir mag
Matthes nannte mit Blick auf Merkel den Gedanken „jetzt doch irgendwie crazy, dass Du hier eine Laudatio auf mich halten würdest“. Und er danke Merkel, wie sie dies getan habe: „Es war sozusagen gleichermaßen naturwissenschaftlich, es war empathisch, es war warmherzig. Es war genau, es war lustig. Also lauter Eigenschaften, die Du ja hast, die ich an Dir kenne und die ich an Dir mag.“