Meret Becker begeistert im UT Connewitz Meret Becker begeistert im UT Connewitz: Elfe in Hemdsärmeln

Leipzig - Will sie das jetzt wirklich tun? Meret Becker hat gerade den Taft-Rock mit Rüschen abgelegt, jetzt schiebt ihr Gitarrist Buddy Sacher einen Stuhl in die Bühnenmitte.
Und tatsächlich, Meret Becker zieht sich hoch zu einem Ring, der von der Decke des Leipziger UT Connewitz hängt. Von dort oben singt die 50-Jährige die nächste Nummer ihres Programms „Le grand ordinaire“, zu Deutsch so viel wie „Die große Gewöhnlichkeit“.
Meret Becker in Leipzig: Lebe lieber ungewöhnlich
Aber gewöhnlich ist gar nichts, wenn die Tochter des Schauspielerpaars Monika Hansen und Rolf Becker, Schwester des Schauspielers Ben Becker und Stieftochter des Schauspielers Otto Sander auf die Bühne geht. Meret Becker spielt keine normalen Konzerte.
Auftritte der Berlinerin sind Spektakel voller Verweise auf Varieté, Zirkus und Hafenkneipe. Becker trägt Ballettschuhe, Tüll und Akrobatentrikot. Doch in den fast zwei Stunden, die sie singt, tanzt, Witze reißt und ihre singende Säge jammern lässt, fällt Becker aus der Rolle der zarten Prinzessin immer wieder in die der hemdsärmeligen Elfe.
Aus dem kleinen schmalen Körper kommen dann unversehens nicht nur grelle Schreie, sondern dunkle Laute im brummigen Bass. Meret Becker verzieht das Gesicht, sie kniet, sitzt und springt und spielt mit Pianist Ben Jeger vierhändig Klavier. Ein Lied ihres Albums „Deins & Done“ gurgelt sie sogar.
Meret Becker und ihre Band The Tiny Teeth
Mit ihrer Band The Tiny Teeth kann sie all das machen, denn Dauerbegleiter Buddy Sacher, der Gitarre, Mandoline und Banjo spielt, Ben Jeger, der ab und an zu einer Orgel aus drei Dutzend Weingläsern wechselt, Uwe Langer an allerlei Blasinstrumenten, Dirk Peter Kölsch am Schlagzeug versorgen die Frau in ihrer Mitte jederzeit mit einem minimalistischen Soundteppich.
Der erinnert mal an Kurt Weill, mal an Elvis Costello und dann wieder an die Einstürzenden Neubauten, bei denen Beckers Ex-Ehemann Axel Hacke einst spielte.
Freilich ist bei Meret Becker alles leiser, lieblicher und romantischer. Die singende Säge im Anschlag, bedient sich die Autodidaktin, die mit elf in ihrem ersten Film mitspielte, mit 15 putzen ging und mit 16 die Schule verließ, bei Country und Seemannslied, bei Revue-Klängen und den staubigen Tom-Waits-Balladen.
Das passt, denn irgendwie geht es doch immer um Liebe in diesen Liedern, für die sich die „Tatort“-Hauptkommissarin Nina Rubin in eine Geschichtenflüsterin verwandelt.
Sie erzählt von einem jungen Mann, der sich in die Schlangenfrau des durchziehenden Zirkus’ verliebt. Begleitet die Schlangenfrau, die davonfährt und weint. Und sie streicht ungerührt über ihre Säge, als wirklich eine Schlangenfrau auftaucht und sich mitten im laufenden Stück gallertgleich um Becker herum- und durch deren sägende Arme schlingt. Später taucht die gelenkige junge Frau noch einmal auf, um sich selbst, aufgehängt nur am eigenen Zopf, lächelnd unter die Saaldecke zu ziehen.
Meret Becker liefert eine große Show fürs Publikum
Eine große Show, die das Publikum in jeder Minute in Atem hält. Es gibt einen „Walzer für den Wintervogel“ zu hören, einen „Brauttanz“ und etwas über Schneeflocken zum Frühstück, ein Mops macht Kunststücke und mit Drummer Kölsch geht Becker in den Trommel-Nahkampf.
Es ist wie ein Zirkusabend ohne Kuppel, ohne Tiere und Dressur. Dafür aber mit Satzgesang, einem liegend blasenden Posaunisten und dem seriösen Jazzer Jeger, der am Ende vor einem zwergenhaften Kinderklavier hocken wird und Meret Becker in den Zugabenteil begleitet. Der endet familiär mit einer Komposition von Bruder Ben und dem großen Trinker Harald Juhnke.
Meret Becker lässt sich ein Bier öffnen, setzt an und trinkt auf Ex. „Das, verehrtes Publikum, ist in meiner Familie Ehrensache“, lächelt sie und dirigiert ihre Männer ins finale „Trinklied“. (mz)