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"Menschen hautnah" "Menschen hautnah": Im großen Schatten von Helmut Kohl

Von Martin Weber 22.01.2014, 12:38
Walter Kohl zeigt in seinem neuen Buch Wege zur Versöhnung auf.
Walter Kohl zeigt in seinem neuen Buch Wege zur Versöhnung auf. dpa

Als Helmut Kohl noch als ewigster Kanzler aller Zeiten regierte, war er ein großer, massiger Mann, der alles, was sich ihm in den Weg stellte, früher oder später aus dem Weg räumte. Nicht nur politische Gegner oder Parteifreunde, sondern, wenn’s denn sein musste, auch höchstpersönlich schon mal Demonstranten, die ihn mit Eiern bewarfen.

Heute ist Helmut Kohl 83 Jahre alt und ein gebrechlicher und kranker Mann, der im Rollstuhl sitzt. Groß und massig wirkt er aber immer noch. Zumindest auf seinen ältesten Sohn Walter, 50, der sich seit Jahren an dem für ihn immer noch übermächtigen Vater abarbeitet und einfach nicht aus dem Schatten des berühmtesten Oggersheimers aller Zeiten herauskommt. Zwei Bücher hat Walter Kohl schon über sein altes Leben und auch darüber geschrieben, wie er sein altes Leben ganz toll in sein neues, besseres integriert; die Titel der Bestseller – „Leben oder gelebt werden: Schritte auf dem Weg zur Versöhnung“ und „Leben was du fühlst. Von der Freiheit, glücklich zu sein. Der Weg der Versöhnung.“ wirken wie vom Munde abgesparte Küchenkalenderweisheiten.

Zeitreise durch Deutschland

Keiner aus der wie immer 243-köpfigen Vorgezappt-Redaktion kennt Helmut und/oder Walter Kohl persönlich, und bestimmt hat der längst erwachsene Sohn triftige Gründe, seinen Vater eher nicht zu mögen. Da ist Maike Kohl-Richter, Helmut Kohls zweite Frau und ein Jahr jünger als Walter, die den Altkanzler von allem, was ihr nicht passt – also auch vor den Söhnen – hermetisch abschirmt. Und da ist der Suizid von Hannelore Kohl. Den Selbstmord seiner Mutter nach schwerer Krankheit lastet Walter Kohl seinem Vater zwar nicht direkt an. Sagt aber ganz klar, dass der CDU-Spendenskandal für den Freitod der Mutter eine Rolle spielte. „Ohne die Affäre wäre sie nicht tot“ – so äußert sich Walter Kohl in dem Porträt, dass die WDR-Reihe „Menschen hautnah“ (22.30 Uhr) ihm widmet.

Mit dem Autor Stephan Lamby, der schon zahlreiche Filme über Helmut Kohl gemacht hat und Hannelore Kohl 1998 im Bonner Kanzlerbungalow interviewte, spricht Walter Kohl offen über sein Familienleben, das durch den Beruf und die Prominenz des Vater geprägt war. Erst kam Helmut Kohl und das, was er wollte – und dann kam lange nichts. „Walter Kohl“ ist eine Zeitreise durch das politische Deutschland der 70er, 80er und 90er Jahre und der – mal mehr, mal weniger geglückte – Versuch eines Sohnes, endgültig aus dem Schatten seines Vaters zu treten. Haltungsnoten für familiäre Vergangenheitsbewältigung – jede Familie kann schließlich zur kleinsten Terrorzelle der Welt werden – möchten wir an dieser Stelle nicht vergeben. Aber unbedingt darauf hinweisen, dass es Politikersöhne wie Matthias Brandt gibt, die auch mit ihrer Herkunft hin und wieder hadern, aber meistens erfreulicherweise dezenter mit ihr umgehen. Und vor allem: privater.