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Medien Medien: Kleiner Bruder von Alfred Neven Du Mont wird 70

Von Jürgen Hein 06.11.2006, 08:22
Der Verleger Reinhold Neven DuMont sitzt an seinem Schreibtisch in Köln. (Foto: dpa)
Der Verleger Reinhold Neven DuMont sitzt an seinem Schreibtisch in Köln. (Foto: dpa) dpa

Köln/dpa. - Aber Wortekann man auf Zeitungspapier drucken oder auf Buchseiten - für den Tagoder für die Ewigkeit. Und Neven Du Mont, der lange Jahre Eigentümerdes renommierten Verlags Kiepenheuer & Witsch war und am Sonntag (12.November) 70 Jahre alt wird, lässt keinen Zweifel daran, welchemMedium seine Liebe gehört: «Bücher riechen gut, Zeitungen nicht. MitBüchern umgeben sich die Menschen, aber ich kenne niemanden, dergerne mit Zeitungsstapeln lebt. Die gelesene Zeitung schmeißt manweg, ein Buch kann man nicht wegwerfen.»

Neven Du Mont wurde 1936 in Köln in eine Zeitungsverleger-Dynastiegeboren. «Es wurde immer der älteste Sohn zum Nachfolger des Vaters,und wenn es noch einen anderen Sohn gab, musste der sich für seinenLebensweg etwas anderes einfallen lassen.» Reinhold Neven Du Mont wardieser «andere Sohn». Sein neun Jahre älterer Bruder Alfred NevenDuMont baute den Verlag M. DuMont Schauberg («Kölner Stadt-Anzeiger»,«Frankfurter Rundschau» und andere) zur Mediengruppe aus.

Reinhold Neven Du Mont studierte Soziologie, Geschichte undLiteratur und volontierte bei den Verlagen Kösel und DTV. 1963 wurdeer mit 27 Jahren Assistent von Josef Caspar Witsch. Zu dessen Verlaggehörten schon Joseph Roth, Heinrich Böll, Wolfgang Leonhard undErich Maria Remarque. Witsch starb 1967. Neven Du Mont übernahm dieFührung von Kiepenheuer & Witsch und wurde 1969 Alleininhaber.

Es war eine schwierige Zeit. «Da wurde die Literatur von manchen68ern totgesagt. Aber der Tod hat nur kurz angedauert, dann kam dieLiteratur mit Macht zurück», sagt Neven Du Mont. Gefragt waren aberneue Bücher: «Nicht mehr das in Leder gebundene Vorzeigebuch in derelterlichen Bibliothek, das alle zwei Monate abgestaubt wird. Miteinem Mal standen die Fenster offen, frische Luft kam in die Räume,alles war möglich, alles wurde diskutiert.»

In diese Atmosphäre platzte der junge Verleger mit zwei Autoren,die zugleich denkbar verschieden waren und doch einschlugen, alshätte man auf sie gewartet. Er brachte «Hundert Jahre Einsamkeit» vonGabriel García Márquez und die «13 unerwünschten Reportagen» vonGünter Wallraff heraus. Die Frage, ob dieser fulminante Start auchauf Kalkül beruhte, wandelt Neven Du Mont leicht ab: «Ein Verlegermuss auch kalkulieren. Er muss das Richtige im richtigen Moment tun.Wenn er das Richtige im falschen Moment tut, geht es schief.»

Neven Du Mont hatte Erfolg, aber er macht davon kein Aufhebens.Böll, García Márquez und V.S. Naipaul waren seine Autoren, langebevor sie den Nobelpreis bekamen, aber das erwähnt er kaum. Er hatmit vielen Literatur-Stars zu tun, ist aber froh, dass er selbst niezum Star wurde. García Márquez kannte in Deutschland niemand, bevorNeven Du Mont ihn verlegte, aber seine Entdeckung schreibt er sichnicht auf die Fahnen: «Der Übersetzer Curt Meyer-Clason erzählte mirvon diesem kolumbianischen Autor. Er hatte wirklich Feuer gefangen,und so ein Funken springt dann auch über. Ein Verleger muss fähigsein, sich von Begeisterung anstecken zu lassen.»

Den Autoren gefiel, dass ihr Verleger als Eigentümer alleinentscheiden konnte. Und dennoch verkaufte Neven Du Mont vor fünfJahren 85 Prozent seiner Anteile an die Holtzbrinck-Gruppe. Er istüberzeugt, dass ein mittelgroßer Verlag wie Kiepenheuer & Witsch dieSicherheit der Holding braucht. «Du musst sehen, dass du Erfolgevorzuweisen hast, dann hast du freies Spiel», gab er Helge Malchow,seinem Nachfolger als verlegerischer Geschäftsführer, mit auf denWeg. Die Holding habe nie ins Verlagsprogramm hineinregiert, beteuernbeide. «Man weiß heute, dass Verlagsgruppen nur funktionieren, wenndie Verlage autonom operieren können», sagt Malchow.

Reinhold Neven Du Mont - er war verheiratet und hat zwei Töchter -blieb offen für Neues: Er zog vom Land in die Kölner Innenstadt,verbringt viel Zeit in Frankreich, schrieb eine «Gebrauchsanweisungfür Köln» (Verlag Piper), lehrte an Universitäten und engagiert sichweiter für das von ihm initiierte Kölner Literaturhaus.