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Maxim Biller Maxim Biller: Bundesgerichtshof bestätigt Verbot von «Esra»

21.06.2005, 09:44
Der Schriftsteller Maxim Biller. Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft an diesem Dienstag (21. Juni 2005), ob der stark autobiografisch gefärbte Roma «Esra» des Schriftstellers doch noch erscheinen darf. (Foto: dpa)
Der Schriftsteller Maxim Biller. Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft an diesem Dienstag (21. Juni 2005), ob der stark autobiografisch gefärbte Roma «Esra» des Schriftstellers doch noch erscheinen darf. (Foto: dpa) dpa

Karlsruhe/dpa. - Laut BGH greiftder - seit der ersten Fassung bereits entschärfte - Roman inschwerwiegender Weise in das Persönlichkeitsrecht von Billers Ex-Freundin und deren Mutter ein. Die beiden Frauen seien in denRomanfiguren Esra und Lale zumindest für ihren Bekanntenkreiserkennbar. Ob der Kölner Verlag gegen das Urteil Beschwerde beimBundesverfassungsgericht einlegt, ist nach Auskunft einer Sprecherin noch nicht entschieden. (Aktenzeichen: VI ZR 122/04 vom 21. Juni 2005)

Nach Auffassung des Karlsruher Gerichts hat Biller die Figuren,die in zahlreichen Details den beiden Klägerinnen nachempfundensind, nur unzureichend verfremdet. «Es werden keine Typendargestellt, sondern Porträts», heißt es in der kurzen Begründungdes VI. Zivilsenats. Deshalb setze der Leser auch jenen Teil derDarstellung mit dem realen Leben der beiden Klägerinnen gleich, dervom Autor frei erfunden sei und die Frauen entweder überwiegendnegativ zeichne oder sie - unter Verletzung ihrer Privatsphäre -bloßstelle. «Dies ist von der Kunstfreiheit nicht gedeckt.» Das OLGhatte das Verbot mit «markanten Übereinstimmungen» zwischen dentürkischen Klägerinnen und den Romanfiguren begründet.

Das Buch schildert die Liebesbeziehung zwischen Esra und dem Ich-Erzähler, dem Schriftsteller Adam. Biller hatte mit der Klägerin,die für Esra als Vorbild diente, eine anderthalb Jahre währendeBeziehung unterhalten. Der Anwalt des Verlags, Achim Krämer, hattesich in der Verhandlung am Dienstag auf den Schutz der Kunstfreiheitberufen. Literatur knüpfe immer an die Realität an, die im Romanverfremdet und verdichtet werde. «Dieser Roman enthält an keinerStelle Schilderungen irgendwelcher Abartigkeiten.» Es handele sichum die Verarbeitung einer Liebesgeschichte, wozu auch dasSexualleben gehöre.

Die BGH-Senatsvorsitzende Gerda Müller sprach in der Verhandlungvon einer «schwierigen Gratwanderung». Die Frage nach derFiktionalität führe die Juristen an die Grenze ihres Fachs. Nachihren Worten ist entscheidend, ob die reale Person im Roman«künstlerische Selbstständigkeit» erlangt habe.

Der Verleger von Kiepenheuer & Witsch, Helge Malchow, hält dasUrteil für «eine gefährliche Entwicklung». Er sehe eine Neigung derGerichte, «in einer Güterabwägung zwischen Grundrechten dieKunstfreiheit einzuschränken», sagte Malchow dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Mittwoch-Ausgabe). Dies schränke nicht nur dieästhetische Arbeit der Autoren ein, sondern bedrohe auch die humaneGesellschaft. Schon jetzt bemerke er, dass die bereits erfolgtenUrteile gegen das Buch von Maxim Biller «zu einer Verängstigung unddeutlichen Verkrampfung» unter Autoren geführt habe: «Ich beobachteeine Art innerer Vorzensur beim Schreibprozess, die dem Kunstwerknicht zugute kommen kann.»