Matthias Matussek Matthias Matussek: Als wir jung und schön waren

Frankfurt/Main/dpa. - Der Sohn eines katholischen CDU-Bürgermeisters besuchte damals einJesuiten-Internat, musste morgens um sechs in die Frühmesse undabends sündige Gedanken mit kalten Duschen bekämpfen. Das klingt sehrnach dem Muff von 1000 Jahren und wenig nach Rebellion. Und dieGeschichte wäre völlig öde, wenn sie nicht bald eine 180-Grad-Wendunggenommen hätte. Genau das aber hat sie, und davon erzählt Matusseksneues lesenswertes Buch «Als wir jung und schön waren».
Der Journalist und frühere «Spiegel»-Kultur-Chef hat das Buchseinem Sohn Markus gewidmet, der 14 Jahre alt ist, so alt wie derAutor 1968. Da besteht einerseits die Gefahr, altväterlicheRatschläge zu servieren, andererseits dem eigenen Sohn demonstrierenzu wollen, warum der Papa als Teenie so ein toller Hecht war.Manchmal ist das auch tatsächlich so, insgesamt aber schafft Matussekes souverän, dabei nicht peinlich zu werden.
Sein Buch ist eine Mischung aus verschiedenen Texten. Erinnerungenan ein Treffen mit William S. Burroughs gehören ebenso dazu wie einGespräch mit dem Philosophen Rüdiger Safranski über Romantik. Auchder Verlag war offenbar etwas ratlos und nennt das Werk eine «bunteCollage aus Essays, Reportagen und Kurzgeschichten». Im Mittelpunktsteht allerdings Matusseks Rückblick auf die eigenen Anfänge: Ersieht sich als einen der «anderen 68er», einen der Spätgeborenen, dieRudi Dutschke und die APO nur aus der Entfernung erlebten, aber umsomehr bei der Jugendrevolte und dem Bruch mit den konservativenTraditionen zu Hause mitmischten: Matusseks Weg schlängelt sich vomMinistranten zum Maoisten und vom Maoisten zum Anarcho, Kiffer undTräumer.
Das waren vielleicht keine ungewöhnlichen Entwicklungsschritte indieser Zeit, aber Matussek hat seine Erinnerungen an die 70er Jahremit so vielen kulturgeschichtlichen Details angereichert, dass darausmehr wird als nur eine Rückschau auf längst vergangene Zeiten. Zu denspannendsten Passagen gehört die über seine Asien-Reise, die mit demVW-Bus über Istanbul und Teheran bis nach Afghanistan führte und ander Grenze zu Indien eskalierte, weil die Kiffer aus Deutschland mitHaschisch erwischt wurden und im Knast landeten.
Es gibt viele autobiografische Texte, die langweilig und schlechterzählt sind. Auch das muss man Matussek zugutehalten: Von beidemkann in diesem Fall nicht die Rede sein. Im Gegenteil, der Autor, demseine Kritiker sonst oft Eitelkeit und eine Haudrauf-Mentalitätvorhalten, beschäftigt sich in seinen Selbstbetrachtungenausgesprochen ernsthaft mit seinem Thema und bleibt trotzdemunterhaltsam.
Matthias Matussek: Als wir jung und schön waren S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 299 S., Euro 19,90 ISBN 978-3-10-048924-1