Leipzig Mario Barth präsentiert in Leipzig "Männer sind bekloppt aber sexy"

Leipzig - „Jetzt kommt der größte Paartherapeut aller Zeiten.“ Die Lautsprecherankündigung in der üppig gefüllten Arena Leipzig ist am heißen Sonntagabend bombastisch, die Videoleinwand imaginiert eine Zeitreise vom Anfang der Menschheit bis ins Jahr 2215: Am Berliner Flughafen wird noch gebaut, ein Flugzeug steht auf der Bühne.
Mario Barth, Jahrgang 1972, kommt in Jeans und T-Shirt, in der Hand ein Mikro. Der Rest ist schnell erzählt: Ein Stereotyp jagt das nächste, Geschichten, die aus dem Alltag stammend behauptet werden, präsentieren mal das weibliche, mal das männliche Geschlecht als vertrottelt und liebenswert begriffsstutzig. Eine Identitätssuche, Grimassen und Anzüglichkeiten, der Saal johlt vor Vergnügen.
Mario Barth in Leipzig: Das Publikum johlt vor Vergnügen
Das Ganze erstreckt sich über stolze zweieinhalb Stunden, am Ende wird es mit einem knalligen Feuerwerk abgerundet. Mittendrin? Scherze, die Männer mit Löwen vergleichen, beide sollen eine große Fresse und dicke Eier haben. Und Bemerkungen, wonach Frauen genetisch bedingt neugierig sind, prasseln ebenso herbei wie gut gemeinte Ratschläge: „In ’ner guten Beziehung muss man sich verarschen. Wir müssen uns wieder mehr verarschen.“
So liest dann auch die fiktive Freundin „Fifty Shades of Grey“, derweil sie das scheinbar brisante Material unter einem Rosamunde Pilcher-Schutzeinschlag versteckt. Der empörte Mann reagiert sofort. Ja, früher hießen die Pornos doch noch „Trommelfeuer aus der Sackkanone“! Ja, ja, früher war noch alles gut. Doch was ist jetzt los? Verunsicherung allüberall? Der Versuch des Mannes, das erlahmte Aufmerksamkeits- und Liebesleben mit Dirty-Talk zu erfrischen, endet im großen zwischenmenschlichen Missverständnis, welches das Pärchen aber nur noch enger zusammenzuschweißen scheint.
Mario Barth füllt noch immer große Hallen
Willkommen in den feucht-fröhlichen Sichtweisen eines Mario Barths, die in all ihrer Schlichtheit immer noch die großen Hallen Deutschlands füllen. Der Horizont des Dargebotenen reicht bis zum nächstbesten Schlagerhimmel. Barths Comedy ist ein bübisch-vulgärer und durchaus gekonnt vorgetragener Aufschrei nach einer einfach zu begreifenden Welt. Im Dienste dessen prügelt Barth unzählige Klischees aus der Mottenkiste der Geschlechter - so dass sich am Ende seiner Show überhaupt keine Fragen mehr stellen.
Mit groben Schwarz-Weiß-Zeichnungen im Kopf verlässt man den Abend. Alle Intimitäten, Zwischentöne, Entfremdungen und Widersprüche, die man in dieser globalisierten Welt täglich erfährt, sind im Barthschen Humor-Mikrokosmos pulverisiert. Damit befriedigt er eine Sehnsucht nach Einfalt. Im tiefsten Grunde soll alles ja so simpel sein. Ist es aber nicht. Dieser Paartherapeut setzt zwar am offenen Herzen an, nur bedient und reproduziert er beständig eine unpolitische Trottel-Identität, die das genaue Gegenteil von witzig-spöttischer Aufklärung ist.
Willkommen im Schein einer heilen Welt, die Vorurteile und vermeintliche Werte stolz zu feiern weiß. Allen fünf Erfolgsprogrammen, die auch in einer CD-Box zu haben sind, ist eins gemein: Hier liegt mehr als eine Comedy-Show vor, hier artikuliert sich ein Zeitgeist. Ein kulturell abschätziger Blick wird den Erfolg von Mario Barth nicht erkunden können, dafür wurzelt er viel zu fest im sozioökonomischen Status seiner zahlenden Fans. (mz)