1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Marguerite Yourcenar: Marguerite Yourcenar: Mysteriöse Berühmtheit der Literaturszene

Marguerite Yourcenar Marguerite Yourcenar: Mysteriöse Berühmtheit der Literaturszene

Von Sabine Glaubitz 04.06.2003, 20:07
Ein Archivbild vom 26.11.1984 zeigt die in Brüssel geborene Schriftstellerin Marguerite Yourcenar. Die Autorin ("Ich zähmte die Wölfin") und Übersetzerin wäre am 8. Juni 2003 100 Jahre alt geworden. Sie starb am 17. Dezember 1987 im Alter von 84 Jahren im US-Bundesstaat Maine. (Foto: dpa)
Ein Archivbild vom 26.11.1984 zeigt die in Brüssel geborene Schriftstellerin Marguerite Yourcenar. Die Autorin ("Ich zähmte die Wölfin") und Übersetzerin wäre am 8. Juni 2003 100 Jahre alt geworden. Sie starb am 17. Dezember 1987 im Alter von 84 Jahren im US-Bundesstaat Maine. (Foto: dpa) AFP/epa

Paris/dpa. - Marguerite Yourcenar versteckte sich gern hinter Reflexionen. Offenbarungen und Momente der Selbstentblößung kommen in den zahlreichen Essays und Romanen der französisch-amerikanischen Autorin nur selten vor. Auch in ihrer Rede 1980 anlässlich ihrer Aufnahme als erste Frau in die exklusive Männerrunde der 40 «Unsterblichen» der Pariser Académie Francaise sprach sie ohne die geringsten persönlichen Anmerkungen ausschließlich über das Werk ihres Vorgängers Roger Caillois. Die Schriftstellerin und Übersetzerin von Werken von Virginia Woolf, Thomas Mann und Henry James wäre am kommenden Sonntag (8. Juni) 100 Jahre alt geworden. Nicht nur ihr Intellekt, auch ihr zurückgezogenes Leben machten aus ihr eine geheimnisumwitterte Berühmtheit der Literaturszene.

Die 1993 auf Deutsch erschienene Biografie «Marguerite Yourcenar, die Erfindung eines Lebens» holte das Denkmal, zu dem Yourcenar sich zeitlebens selbst stilisiert hatte, erstmals vom Sockel. Die Autorin Josyane Savigneau legte darin die Persönlichkeit Yourcenars offen, die in ihren Büchern stets versuchte, Distanz zur eigenen Person zu wahren. «Das Publikum, das persönliche Bekenntnisse im Werk einer Schriftstellerin sucht, ist ein Publikum, das nicht zu lesen versteht», schrieb Yourcenar einmal.

Doch wer Yourcenars Werke, die als ernst und schwierig gelten, genau liest, entdeckt dennoch viel Persönliches. Im Mittelpunkt ihrer Romane, Essays und Gedichten stehen Liebe, Tod, spirituelle Suche und Sexualität. Auffällig ist das weitgehende Fehlen von Frauengestalten. Meist stehen homo- oder bisexuelle Männer im Mittelpunkt. «Sie träumte davon, die Geliebte von Männern zu sein, die Männer lieben», enthüllte einst ihr Lektor bei Bernard Grasset. Diese Obsession kommt vor allem in dem 1953 vollendeten Kavafis-Essay zum Ausdruck. In diesem Werk über den neugriechischen Dichter aus Alexandria beschreibt sie, wie sich der Dichter im Alter zum Hedonismus der Antike bekennt, und «seinen allerpersönlichsten Obsessionen Ausdruck verleiht».

Auch in dem 1982 veröffentlichten Mishima-Essay über Oscar Wilde kommt Yourcenars Faszination für homosexuelle Beziehungen zum Ausdruck, aber auch ihr eigenes Liebesdrama. So schreibt sie, dass Oscar Wilde bei der Überfahrt nach Capri «kein junger vom Olymp herabgestiegener Gott» mehr Zigaretten anzündet. Und wenn sie von «Schmähungen und Hohngelächter, Geraschel von Hotelrechnungen oder Erpresserbriefen» berichtet, dann erkannten Vertraute dahinter ihre eigene erotische Leidensgeschichte mit Jerry Wilson, der ihr das Leben zur Hölle machte. Sie hatte den um viele Jahre jüngeren Wilson, der an Aids starb, nach dem Tod ihrer langjährigen Lebensgefährtin Grace Frick kennen gelernt.

Yourcenar gilt als Erneuerin des französischen historischen Romans. Ihre psychologisch fundierten Werke sind von der Antike geprägt. Am bekanntesten wurde «Ich zähmte die Wölfin» (1951, deutsch 1953), die imaginären Memoiren des römischen Kaisers Hadrian. Schon in diesem Werk zeigte sich, dass ihre Enttäuschung über die Liebe zu einer Enttäuschung über die Menschheit geworden war. In dem Bestseller bekannte sie sich zur nichtmenschlichen Welt. Und 1981 fragte sie in ihrem Essay «Wer weiß, ob die Seele der Tiere im Staub versinkt?», ob der Mensch, statt sich zum gnadenlosen Herrn der Schöpfung zu machen, nicht lieber «in den Stand des Beschützers, des Vermittlers, des Moderators der ganzen Schöpfung» hätte fallen sollen.

In einer Erzählung schrieb sie einmal: «Liebe ist Strafe. Wir werden dafür bestraft, dass wir nicht allein bleiben konnten.» Marguerite Yourcenar starb am 17. Dezember 1987 im Alter von 84 Jahren im US-Bundesstaat Maine.