Margaret Rutherford Margaret Rutherford: Die Frau, die Miss Marple war
Halle (Saale)/MZ. - Sie ist die berühmteste Hobbydetektivin der Welt: Wenn die schrullige Miss Marple ihr Strickzeug beiseite legt und mit wehendem Cape auf Gaunerjagd geht, dann sind Freunde britischer Krimikomödien in ihrem Element. Die englische Schauspielerin Margaret Rutherford (1892-1972) drehte zwischen 1961 und 1964 vier Miss-Marple-Filme und prägt bis heute das Bild, das viele von der Ermittlerin haben: eine füllige, liebenswerte, resolute Oma. Die sehenswerte Dokumentation "Die wahre Miss Marple" (morgen auf Arte) porträtiert die Schauspielerin, von deren Besetzung Agatha Christie zunächst wenig hielt.
Die Krimiautorin hatte eigentlich einen schlanken und damenhaften Typ im Kopf, als sie ihre Romanheldin schuf. Doch auch Margaret Rutherford musste erst von der Rolle überzeugt werden, denn mit Mordgeschichten wollte sie nichts zu tun haben. Schließlich hatte es in ihrer eigenen Familie zwei grausige Todesfälle gegeben - ihr Papa hatte seinen eigenen Vater mit einem Nachttopf erschlagen und wanderte in eine psychiatrische Anstalt, ihre Mutter erhängte sich. Margaret wuchs bei einer Tante in London auf und erinnerte sich später an ihre Schulzeit:
"Mein Gesicht war so oval wie das Ei eines Zwerghuhns, und wenn ich die Nase rümpfte, sah ich aus wie ein Kaninchen. Das ist bis heute so geblieben." Die von der ersten bis zur letzten ihrer 90 Minuten spannenden Dokumentation zeichnet chronologisch das Leben jener Frau nach, die von Zeitgenossen liebevoll eine "alte Streitaxt" genannt wurde. Als junge Frau hielt sie sich mit Unterricht in Rhetorik und Musik über Wasser, sie machte bei der örtlichen Laienspielgruppe mit und wurde erst relativ spät zum Theater- und Filmstar. 1938, mit 46 Jahren, spielte Rutherford eine 70-Jährige - seitdem war sie aufs Fach der schrulligen alten Lady festgelegt, in dem sie brillierte wie kaum eine Zweite.
"Wenn es ein Peter-Pan-Land gäbe, die beiden würden dort leben", sagt einer der vielen Zeitzeugen in dem Beitrag über Margaret Rutherford und ihren Ehemann Stringer Davis, der in den Miss-Marple-Filmen mitspielen durfte, obwohl die Rolle bei Agatha Christie gar nicht vorgesehen war. Davis umgluckte Rutherford wie eine Henne ihr Küken. Als die Schauspielerin an der Seite von Weltstars wie Liz Taylor 1963 den Film "Hotel International" drehte, für den sie später einen Oscar erhielt, war ihr einziger Sonderwunsch eine Kochplatte im Wohnwagen, damit sich das Paar abends seine geliebten Eier mit Speck brutzeln konnte.
"Mir macht es nichts aus, als exzentrisch zu gelten", sagte Margaret Rutherford, die 1967 geadelt wurde. Vor allem aber war sie zutiefst gutmütig und wurde deshalb auch ausgenutzt. Von den Depressionen, an denen sie litt, bekamen ihre Mitmenschen wenig mit.
Rutherford starb 1972 nach mehreren Schlaganfällen, auf Arte ist sie am Sonntag noch einmal in einer ihrer schönsten Rollen zu sehen: Vor der Dokumentation zeigt der Sender um 20.15 Uhr die Krimikomödie "16.50 Uhr ab Paddington", den ersten der vier Miss-Marple-Filme.
Arte zeigt "Die wahre Miss Marple" am Sonntag um 21.40 Uhr.