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Manfred Bieler gestorben Manfred Bieler gestorben: Meister der Erzählkunst

07.05.2002, 12:01
Manfred Bieler
Manfred Bieler dpa

München/dpa. - Seine Biografie wie sein Werk wurden durch die politischenBedrängungen der 1960er Jahre entscheidend geprägt. Eine Anstellungals wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Schriftstellerverband der DDRmusste er nach seinem Protest gegen die Niederwerfung des Ungarn-Aufstandes aufgeben. 1964 siedelte Bieler nach Prag über und nahm1967 die tschechische Staatsbürgerschaft an. Kurz nach dem Einmarschder Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 emigrierte er in dieBundesrepublik, wo er sich in der Nähe von München niederließ.

Seit 1957 als freier Autor tätig verfasste der umtriebigeRomancier, der im Laufe von 15 Jahren 17 Mal umgezogen ist undzeitweilig auf dem Fang- und Verarbeitungsschiff «Bertolt Brecht»Fische filetiert hat, zuerst Hör- und Fernsehspiele. Später machte ersich auch mit literarischen Parodien einen Namen («Walhalla», 1988).Neben seinem vor dem Hintergrund turbulenter Ereignisse derHitlerzeit in Prag spielenden amüsanten «Mädchenkrieg» fandeninsbesondere seine Romane «Maria Morzeck oder Das Kaninchen bin ich(1969), «Der Passagier» (1971) und «Der Kanal» (1978), der in derMünchner Schickeria spielt, eine breite Leserschaft.

Über den «Aufbau des Sozialismus» in einer kleinen anhaltischenStadt beichtete er in seinem autobigrafisch geprägten Erfolgsroman«Der Bär» (1983). 1989 erschien sein autobiografisches Buch «Stillwie die Nacht. Memoiren eines Kindes», in dem er auf radikalste Arttraumatische Erfahrungen seiner Kindheit bis zum Schuleintrittauslotet. Zwei Jahre später kamen unter dem Titel «Naida» seinegesammelten Erzählungen heraus. Für sein Werk wurde das PEN-Mitgliedmehrfach ausgezeichnet. Seitdem ist es um den produktiven undbegeisterten Erzähler, dessen Werke auch im «Literarischen Quartett»immer zu kontroversen Diskussionen führten, merklich ruhiger.

Bieler, der an der Ost-Berliner Humboldt-Universität Germanistikstudierte, hatte es immer meisterhaft verstanden, seinen LesernFiguren vor dem Hintergrund real erlebter Zeitgeschichte näher zubringen. Dabei verknüpfte er häufig realistische und symbolischeErzählformen. «Für den politischen Standort eines Autors ist esentscheidend, was die eigene Biografie mit ihm angestellt hat», warBielers Einschätzung.