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Maler Maler: Journalist erzählt Familiengeschichte von Gerhard Richter

14.11.2005, 08:20

Düsseldorf/dpa. - Richters erster Schwiegervater Heinrich Eufinger war nicht nurArzt, sondern - wie so erschreckend viele Mediziner - ein Nazi-Karrierist reinsten Wassers, der als SS-Obersturmbannführer undDirektor der Frauenklinik in Dresden tief in das Mordprogramm an den «Geisteskranken» verstrickt war. Eben dieser «Euthanasie» fiel - nach jahrelanger Qual in der NS-«Psychiatrie» - auch Richters Tante Marianne 1945 zum Opfer. Gespenstische Verschränkungen der Schicksale von Tätern und Opfern, denen «Ein Maler aus Deutschland», so Schreiber raunend, mit seinen frühen Bildern unwissentlich ein Denkmal gesetzt hat.

Doch was dieses Wissen um die realen Hintergrunde der frühenPorträts des gerade in den Westen geflohenen Malers demkunstbegeisterten Leser - und nur der dürfte sich für das Buchinteressieren - bringt, diese Antwort bleibt der Autor schuldig. Überlange Strecken quälend akribisch geschilderte, überflüssige Detailsder Familiengeschichte, topographische Einzelheiten,zeitgeschichtliche Finessen oder schlichte Behauptungen («Der Kriegist Richters Schule des Sehens») verwischen das, was der Band hättesein können: ein Schlüssel zu dem komplexen und kompliziertenLebenswerk des 1932 geborenen Malers, das glücklicherweise auswesentlich mehr als den berühmten fotorealistischen Frühwerkenbesteht.

Und gerade diese Motive der 60er Jahre aus privaten Fotoalben wie«Onkel Rudi» in Wehrmachtsuniform oder eben «Tante Marianne», diesich millionenfach in allen Familien finden lassen, machten - bisheranonym - beklemmend deutlich: Das von Jürgen Schreiber hochgespielteDrama der Familie Richter ist das Drama hunderttausender nicht-jüdischer Familien in Nazi-Deutschland, in denen Täter und Opfer,Mörder und todgeweihte Wehrmachtssoldaten gemeinsam lebten. WasSchreiber, etwa bei der beklemmenden Leidensgeschichte der «irren»Marianne, bis an die Grenzen der Indiskretion beschreibt, ist eherdas Drama eines auf unnötige Details der eigenen aufwendigenRecherche versessenen Journalisten.

Was bleibt? Das Schicksal wenigstens eines der rund 250 000 heutevielfach vergessenen Todesopfer der aus dem «gesunden Volkskörper»ausgesonderten Opfer der «Euthanasie»-Mordmaschinerie wird lebendig.Und Gerhard Richter selbst möchte zu den Schilderungen seinerFamiliengeschichte keine Stellung mehr beziehen: «Es ist leider garkein gutes Buch geworden, und das hatte ich so nicht erwartet», sagteder Künstler unlängst einer Tageszeitung - und schweigt seitdem dazu.

Jürgen Schreiber:
Ein Maler aus Deutschland - Gerhard RichterDas Drama einer Familie
Pendo-Verlag, München
302 S., Euro 22,50
ISBN 3-86612-058-3