Magdeburger Theater Magdeburger Theater: Märchen von der schönen, kalten Prinzessin Turandot
MAGDEBURG/MZ. - Ein schönes Bild ist dies für den Sog, dem auch Prinz Calaf erliegt - die magische Anziehung der Prinzessin Turandot, die mit ihrer Schönheit "weiß wie Jade, kalt wie ein Schwert" schon viele Freier um den Verstand und das Leben gebracht hat.
Musikalischer Exotismus
Giacomo Puccinis "Turandot" ist ein Werk, das dem ausgeprägten Interesse des Theaters Magdeburg an großen Choropern entspricht. Auch in dieser Spätlese einer großen Tradition, die mit ihrem musikalischen Exotismus zugleich ein märchenhaftes Asien beschwört, kann Regisseur Holger Pototzki neben den hauseigenen Choristen die Singakademie und Sänger von "Coruso" sowie von der Domsingschule einsetzen - und nutzt diesen Luxus zur konzeptionellen Aufwertung der Masse. Bei ihm schlängelt und krümmt sich das Volk wie der Körper und die Schwingen eines chinesischen Drachens, es erscheint im maoistischen Einheits-Look (Kostüme: Alrune Sera) als Vorhang, Fallbeil und Mühlstein.
Wie sehr dieser Leib freilich von seinem Kopf - der Prinzessin Turandot - und von dessen ideologischer Selbstverteidigung abhängt, sieht man im zentralen Duell: Jede Frage, die Calaf richtig beantwortet, lässt den Hofstaat wie eine Roboterarmee unter schweren Treffern schwanken. Dass die Minister Ping, Pang und Pong mit ihren Halbmasken wie Exilanten aus dem Sezuan des Bertolt Brecht wirken, ist ein absichtsvoller Verweis: Immerhin ist diese Parabel auf die göttliche Suche nach guten Menschen nur ein Dutzend Jahre jünger, ihre Ursprungs-Idee soll sogar aus dem Uraufführungsjahr der "Turandot" 1926 stammen.
Zeichen bröckelnder Macht
Der folgerichtigen Versuchung, das Stück radikal auf die Konfrontation von alten Überlieferungen und neuen Lehren zuzuspitzen, widersteht Pototzki freilich: In Andreas Janders Bühnenraum setzen lediglich fragmentarische Inschriften ein Zeichen für die bröckelnde Macht der Überlieferung. Vor dieser Kulisse begegnen sich der mächtige, hoheitsvolle Sopran der Anita Bader und der strahlende, lediglich in der Mittellage gutturale Tenor des Iago Ramos, die in ihrer ebenbürtigen Konfrontation höchstens die liebenswert menschliche Sklavin Liú (Ute Bachmaier) neben sich dulden. Und wenn Turandot wie Calaf als Gestalten eines archaischen Märchens keine plausible psychologische Grundierung bieten können, kompensiert dies die Dritte im Bunde: Die Dienerin belehrt mit ihrer Liebe die Prinzessin - und lässt ihr schließlich einen Rest Gift im Fläschchen, mit dem auch die Besiegte aus ihrem falschen Leben fliehen kann.
Dass Puccinis letztes Werk ein musikalisches Bollwerk bildet, das man am besten im Handstreich erobert, weiß Francesco Corti natürlich. Deshalb massiert der scheidende Generalmusikdirektor den Klang der Magdeburgischen Philharmonie sowie der Chöre von vornherein so sehr, dass er manchmal über das Ziel hinausschießt - es generell aber präzise trifft. Diese "Turandot" hält den Sog, den der erste Blick verspricht, bis zum letzten Ton.
Nächste Vorstellungen: Sonntag,
17 Uhr; 1. April, 19.30 Uhr