Magdeburg seit der Wende Magdeburg Stadtentwicklung seit der Wende: Auferstanden aus Ruinen

Magdeburg - Die Verheerungen, die Magdeburg am Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte, waren so nachhaltig, dass die Stadt an den Folgen teilweise bis heute zu laborieren hat - obwohl der architektonische Aufbruch, den der Ort nach 1990 erlebte, ohnegleichen war.
Die Situation im Jahr 1945: „Etwa 90 Prozent der Bausubstanz in der Altstadt und 30 Prozente in den Stadtteilen waren verloren“, so Sabine Ullrich. Wer noch 1989 aus dem Magdeburger Hauptbahnhof trat, sah sich vor allem begrünten Flächen gegenüber, wo sich bis zu den alliierten Luftangriffen von 1945 die architekturhistorisch bedeutende Altstadt erhob.
Ab den 1950er Jahren versuchte die DDR die versehrte Stadt zur sozialistischen Metropole zu erheben, indem man etwa im Bereich der heutigen Ernst-Reuter-Allee und der Guericke-Straße Wohn- und Geschäftshochhäuser im Stil des sowjetischen Klassizismus aus dem Boden stampfte.
Dafür mussten mehrere Kirchen weichen, darunter auch die Ulrichskirche. Doch das Aufbauwerk in Magdeburg blieb zwischen 1949 und 1989 Stückwerk, der Ort - trotz oder gerade wegen zahlloser Plattenbauten - ein hässliches Entlein, das sich erst in den letzten 28 Jahren zum Schwan wandelte.
Was das illustriert bedeutet, zeigen Sabine Ullrich und Conrad Engelhardt in „Magdeburg in den 1960er Jahren und heute“. Dem Bildband ging eine gleichnamige Ausstellung im Einkaufszentrum „City Carré“ voraus, das von den Magdeburgern wegen eines kühn geschwungenen Gestaltungselements im Dachbereich „Sprungschanze“ genannt wird.
Magdeburgs Veränderung in zahlreichen Fotografien dokumentiert
Wie in der Schau auch, so stehen sich im Buch Stadtansichten aus den ersten Jahren nach dem Mauerbau und aktuelle Aufnahmen einander gegenüber. So wird schlagartig deutlich, dass die Zeitenwende des Jahres 1989 auch eine DDR-Großstadt wie Magdeburg vor dem städtebaulichen Ruin bewahrte.
Die Ansichten aus den 1960er Jahren verdanken sich dem Magdeburger Fotografen Hermann Brösel (1902-1984), der zwischen 1959 und 1970 ein eifriger Bild-Chronist seiner Stadt war. Die aktuellen Fotografien stammen von Conrad Engelhardt, der auch den Verlag ost-nordost leitet.
Bis Anfang der 1990er Jahre war Magdeburg eine Stadt ohne Mitte. Das im Zweiten Weltkrieg ausradierte Zentrum sollte - so gab es die stalinistische Stadtgestaltung vor - teils ein Aufmarschplatz sein.
Der zentrale Platz von 30.000 Quadratmetern zwischen Hauptbahnhof und Elbe hätte bei politischen Demonstrationen bis zu 150.000 Menschen fassen sollen. Kundgebungen dieser Größe fanden hier nie statt, dennoch wurde die Fläche erst nach dem Jahr 1990 bebaut, so mit dem Allee-Center am Breiten Weg, dem wohl größten Einkaufszentrum in Sachsen-Anhalt.
Besonderes Augenmerk widmete Hermann Brösel dem Domplatz, der einmal das architektonische Schaufenster Magdeburgs war. Das war in den 1960er Jahren mehr zu ahnen als zu sehen.
Im barocken Palais Domplatz 4, in dem heute das Ministerium für Justiz und Gleichstellung residiert, hatten seinerzeit Abteilungen des Rates der Stadt und das Wehrkreiskommando ihren Sitz.
Als es Brösel 1965 fotografierte, lag ein Berg Kartoffeln vor dem Haus und an der Balustrade im ersten Stock wurden die Bürger aufgefordert, die Kandidaten der Nationalen Front zu wählen. Immerhin ist das Palais erhalten geblieben.
Von dem Barockbau am Domplatz 5 hingegen standen nach dem Bombenhagel des Jahres 1945 nur noch die Außenmauern. Erst vier Jahrzehnte später konnte das Gebäude - in dem seit 1893 das Museum für Natur- und Heimatkunde untergebracht war - rekonstruiert werden. Bis 2013 leerstehend, begrüßt das Haus seit vier Jahren als Hotel seine Gäste.
Kaum ein innerstädtisches Areal hat einen derartigen Wandel vollzogen, wie jenes handtuchschmale Gebiet zwischen Hasselbachplatz und Elbufer, auf dem zu Lebzeiten von Hermann Brösel Güterzüge zusammengestellt und Waggons in die Betriebe rangiert wurden: der Elbebahnhof.
Das Gebäude desselben am heutigen Schleinufer, das ab 1870 durch den Hauptbahnhof ersetzt und zu DDR-Zeiten als Reichsbahndirektion genutzt wurde, dient heute als Pflegezentrum für Demenzkranke. Und auf der 90 Hektar großen Fläche des Elbebahnhofs entstanden seit 2009 exklusive Stadthäuser in bester Lage.
Wie hat sich dieses Magdeburg in 50 Jahren doch gewandelt!
Sabine Ullrich/Conrad Engelhardt: „Magdeburg in den 1960er Jahren und heute in vergleichenden Fotografien“, Texte in Deutsch und Englisch, Verlag ost-nordost, 200 Seiten, 19,80 Euro
(mz)


