«Mädchen» Luci van Org mag's jetzt rockig
Berlin/dpa. - E-Gitarren und laute Rockmusik gegen einfach nur Rocktragen und Bravsein: Die Sängerin Luci van Org, die 1994 noch kokett behauptete «Weil ich ein Mädchen bin», lärmt mit ihrer neuen Band gegen traditionelle Rollenbilder.
Wenn es nach der Rockgruppe Üebermutter geht, soll die Debatte über weibliche Werte auch im Popgeschäft ankommen. In Anspielung auf zwei etablierte Musikgruppen umschreibt van Org das musikalische Motto ihrer Band als «Rosenstolz goes Rammstein» oder «Rammstolz Rosenstein». Ein Album der Gruppe Üebermutter, die sich absichtlich mit dem zusätzlichen Buchstaben «e» nach dem Umlaut schreibt, ist Anfang April erschienen und trägt den vielsagenden Namen «Unheil».
Die erste Single der uniformierten Frauen-Combo heißt «Heim und Herd». Im dazugehörigen Video-Clip martern Luci und ihre Truppe den Gitarristen Michael Brettner mit Haushaltsgeräten - «für einen guten Zweck», wie Luci augenzwinkernd sagt. «Brettner büßt stellvertretend für sämtliche Sünden des Patriarchats. Dadurch erlöst er die Männer von ihrer jahrtausendealten Schuld und führt beide Geschlechter endlich in eine Zeit des friedlichen Miteinanders.» Die Band besinge das Patriarchat in umgekehrten Rollen und spiele es nach, sagt sie.
Üebermutter sei vor allem ein «lauter, pubertärer Spaß, hart an der Grenze des guten Geschmacks» - in seinem übertriebenen Gestus durchaus auch ironisch, sagt die Frontfrau. Die Berliner «Tageszeitung» (taz) kritisierte die feministische Metal-Musik nach einem der ersten Live-Auftritte als «gruselig». Van Org sagt: «Ich wäre irritiert, wenn sich niemand darüber aufregen würde.»
Mitte der 90er Jahre wären ihr Wörter wie Patriarchat nicht so leicht über die Lippen gekommen, gibt van Org zu. Damals war sie zusammen mit Ralf Goldkind die Band Lucilectric. Produziert wurden sie von Ideal-Sängerin Annette Humpe. Heute trägt die inzwischen 36- jährige van Org, die eigentlich Ina Lucia Korch heißt, die rotblonden Haare glattlang statt in Rastazöpfen sowie Fetisch-Uniform statt Girlie-Kleidchen. «Es ist ja so ein Vorurteil, dass Sängerinnen, die einen besonders großen Hit hatten, nicht auf ihre Vergangenheit angesprochen werden wollen. Mir macht das aber gar nichts aus», sagt sie über ihre Lucilectric-Zeit.
In der Zwischenzeit schrieb sie Songs für Nena oder Nina Hagen. Außerdem spielte sie in Filmen mit, unter anderem im umstrittenen Anti-Neonazi-Streifen «Führer Ex». Jahrelang hatte sie zudem eigene Rundfunk-Sendungen wie «Luci in the sky» bei der RBB-Jugendwelle Radio Fritz. Sie war auch Autorin («Der Tod wohnt nebenan. Spukgeschichten aus der großen Stadt») und Dramatikerin. Ihre Komödie «Die sieben Todsünden» lief am Kurfürstendamm.
Die «offen bisexuell lebende, verheiratete Mutter», wie sie sich selbst nennt, hat einen dreijährigen Sohn. Papa von Victor ist der Drehbuchautor und Filmemacher Axel Hildebrand. Sie lernte ihn 1998 bei den Dreharbeiten zum Film «Schrott» kennen. Das Paar wohnt in Kreuzberg. «Geldverdienen und Kindererziehung teilen wir uns ganz gerecht.» Sie glaube zwar an Gott, aber nicht an «gottgegebene» Rollen für die Geschlechter, sagt van Org.