Lokaljournalismus Lokaljournalismus: «Wichtig ist die Qualität»
Halle (Saale)/MZ. - Vater liest nicht am Bildschirm, nie. "Das ist ihm einfach zu unbequem, er hasst es", sagt Sven Frommhold. Eine Chance für die gute alte gedruckte Zeitung? Oder Zeichen dafür, dass mit dem Verschwinden der Generation der gelernten Zeitungsabonnenten auch die klassischen Nachrichtenmedien sterben müssen?
Frommhold, Regionalchef bei der Freien Presse in Chemnitz, will es beim Journalistengespräch der Schule für Multimediale Autorschaft Alfred Neven DuMont in Halle positiv sehen. "Das Nutzungsverhalten ändert sich", sagt er zuversichtlich, "aber wenn die Menschen in ein bestimmtes Alter kommen, entscheiden sie sich doch für die Zeitung."
Zumindest wenn die, glaubt Hartmut Augustin, Chefredakteur der Mitteldeutschen Zeitung, die Herausforderung annimmt und sich auf das konzentriert, was Zeitung am besten kann. "Internet ist schnell", sagt Augustin, "aber Zeitung kann Hintergründe erklären." Entscheidend sei, ist er sicher, längst nicht mehr das Medium, über das eine Nachricht zum Leser komme. "Wichtig ist die Qualität."
Ein Punkt, an dem auch Robert Dobschütz von der Leipziger Internetzeitung LiZ und Isabell Hillmann vom Radio Mephisto mit den Vertretern der klassischen Zeitungshäuser einig sind. Dobschütz allerdings legt Wert auf die Feststellung, dass guter Journalismus auch im Netz möglich sei. Während das Halle-Forum, für das Dobschütz auch spricht, lange vom Mitmachen seiner Leser gelebt habe, sei LiZ mit dem Anspruch angetreten, Journalismus zu liefern. "Hintergründe erklären, Grafiken anbieten, das können wir auch alles."
Die große Frage, die sich alle Diskutanten im prallvollen halleschen Puppentheater stellen müssen, ist jedoch, wie sich journalistische Leistung im Zeitalter von Facebook, Twitter und Bürgerblogs finanzieren lässt. Werbeeinnahmen gehen zurück, Umsätze im Web steigen, können aber die Verluste noch längst nicht ausgleichen.
"Das Medium ist im Wandel", sagt Moderator Henrik Schmitz. Doch niemand wisse, wohin die Reise gehe. Wenn er auf Nachrichtenseiten nach den beliebtesten Meldungen schaue, sehe er Unfälle und Kriminalität ganz vorn. "Das sieht nicht so aus, als wollten sich die Leser da Hintergründe erklären lassen." Hier liege die Chance für kritischen, investigativen Journalismus, betont Augustin, der auch die Frage nach dem lokalen Anspruch seiner Zeitung beantwortet. "Lokal ist nicht, zu melden, dass drei Straßen weiter eine Mülltonne umgefallen ist, lokal ist, die spannendste Geschichte aus dem Verbreitungsgebiet so aufzubereiten, dass sie alle interessiert."
Da nicken die Angehörigen der Generation 2.0 im Saal, die mit anderen Diskussionsteilnehmern an Rechnern und Smartphones überall im Land einen Strom an Twitter-Nachrichten auf eine Leinwand werfen. Twitterwall heißt das - nicht mittendrin, aber doch dabei: "Wieviel Blasen sollen noch platzen?", fragt etwa Nutzer HeinzFlorian, "ich glaube nicht an Märchen von Qualität kostenlos."
Robert Dobschütz glaubt nicht, dass die klassischen Zeitungshäuser den tiefgreifenden Wandel schon verstanden haben. "Sie haben noch nicht einmal eine Anwendung, mit der ihre Internetseite mobil abrufbar ist", kritisiert der Internetunternehmer seinen Kollegen Frommhold von der Freien Presse. "Kommen Sie mal nach Rechenberg-Bienmühle, da haben Sie gar kein Netz", kontert der.
Die ganze Diskussion um Lokaljournalismus 2.0, selbst wenn man sie als eine Chiffre für die Neuerfindung des Lokaljournalismus verstehe, sei "eine Worthülse", heißt es dann. "Der Wechsel ist aber kaum aufzuhalten", glaubt Netz-Zeitungsmann Dobschütz.
Es gehe immer noch um den Dialog mit den Lesern und um Lesernähe, entgegnet Hartmut Augustin, der seine Zeitung auf dem Weg zu einem "täglichen Magazin" sieht. Die MZ setze mehr und mehr auf mobile Reporter, multimediale Aufbereitung und auf schnelle News mit hohem Anspruch. Man sei nicht angekommen, sondern unterwegs. Doch die Wette, ob die klassische Zeitung in zehn Jahren noch ihre heutige Bedeutung haben wird, die Dobschütz am Ende anbietet, nimmt Augustin gern an.