Literatur und Film Literatur und Film: Heimkehr des Werner Holt
Quedlinburg/MZ. - Mit den Worten "Der Krieg ist wieder da!", soll die Dame zurück auf die Straße gewankt sein. Es war aber nicht "der Krieg", sondern die Defa, die den Weg nach Quedlinburg gefunden hatte - und mit ihr zahlreiche Komparsen.
Dass ausgerechnet im doch eher beschaulichen Quedlinburg der düstere Defa-Klassiker "Die Abenteuer des Werner Holt" gedreht wurde, ist ein kleines filmhistorisches Rätsel, das aber vielleicht noch in diesen Tagen aufgeklärt wird. Denn an diesem Sonnabend wird der 1965 von Joachim Kunert in Szene gesetzten Antikriegsfilm in Quedlinburg neu zur Aufführung gebracht - auf Initiative von Hans-Jürgen Furcht, der als "fachgeprüfter Filmtheaterleiter" in den letzten Jahren der DDR die Kreisfilmstelle Aschersleben führte.
Till Eulenspiegel naht
Es war der in Berlin lebende Regisseur Rainer Simon ("Wie heiratet man einen König", "Die Frau und der Fremde"), der den Cineasten Furcht ansprach: Wie es denn mit einer Wiederaufführung seines Filmes "Till Eulenspiegel" aussähe, der 1975 mit Winfried Glatzeder in der Hauptrolle in Quedlinburg und Molmerswende gedreht wurde? Nicht einfach nur eine Aufführung, sondern eine Präsentation am filmhistorischen Ort, die noch einmal die Zeithintergründe der Produktion ins Bewusstsein rufen würde. Furcht fing Feuer, sagte zu - und begann zu recherchieren.
Gemeinsam mit seinem eigens gegründeten Verein "q-Artus" fahndete Furcht nach Filmen, die in Quedlinburg gedreht worden sind. Insgesamt 16 Defa-Filme und mehr als zwölf Fernsehproduktionen wurden von dem heute als Kunst- und Kultureventmanager tätigen Kinohistoriker aufgespürt. Filme, die jetzt nach und nach neu zur Vorführung gelangen sollen, jeweils präsentiert von einigen ihrer Stars. Zahlreiche Zusagen hat Furcht bereits eingesammelt, unter anderen von Gojko Mitic, Chris Doerk, Cox Habbema, Rolf Hoppe, Jan Spitzer und Rainer Simon. So lang wie die Liste der Namen so klangvoll ist die Reihe der Filmtitel, die in Quedlinburg entstanden sind: unter anderen "Pole Poppenspäler" (1954), "Hans Röckle und der Teufel" (1974), "Schneeweißchen und Rosenrot" (1978), "Nicht schummeln Liebling" (1972), "Fünf Patronenhülsen" (1959), "Mir nach Kanaillen" (1963) und "Die Söhne der Großen Bärin". Im Bärenfilm ritt Gojko Mitic 1967 als Tokei-Ihto durch die Harslebener Berge. Noch einmal kehrte Mitic in "Der lange Ritt zur Schule" (1982) in die Harz-Prärie zurück - nun als "Roter Milan", der an der Teufelsmauer von Weddersleben entlangpreschte.
Klaus-Peter Thiele und Dietlinde Greiff, die im "Holt"-Film die Rollen der Hauptfigur und der Marie Krüger ausfüllten, werden am Sonnabend noch einmal an den Drehort reisen, um im Saal des Nordharzer Städtebundtheaters ihren Film zu präsentieren - und über diesen vor Publikum zu diskutieren. Gedreht wurde der Streifen nach der Romanvorlage von Dieter Noll (1927-2008) auf dem Bahnhofsgelände der Stadt und im Luftkurort Altenbrak, wo die Bilder vom Kreissäge-Massaker der SS entstanden. Es war die unzerstörte Altstadt, sagt Hans-Jürgen Furcht, die Quedlinburg für Historienfilme interessant machte; egal, ob Mittelalter- oder Gründerzeit-Kulisse, der Ort hatte alles zu bieten. Vor allem der Schlossberg hatte es den Filmemachern angetan. So wäre es nicht falsch, Quedlinburg als ein ostdeutsches Hollywood zu bezeichnen, allein Görlitz machte der kulissentauglichen Stadt Konkurrenz.
Entdeckung garantiert
Es ist also großes Kino, zu dem der "q-Artus"-Verein von Sonnabend an einlädt. Ein Kino, in dem sich Zeit-, Kultur- und Kunstgeschichte aufs Reizvollste vereinen. Zwei Abende hat der Verein aus eigener Tasche finanziert, ob alle Filme zur Neuaufführung gelangen, soll das Interesse des Publikums zeigen. Entdeckungen sind garantiert: Der 1962 gedrehte Film "Vom König Midas" zum Beispiel ist nie in die Kinos gelangt, allein die Quedlinburger erzwangen sich 1962 eine einzige öffentliche Aufführung.