1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Literatur: Literatur: «Höllenritt» - Ein Ex-Hells Angel packt aus

Literatur Literatur: «Höllenritt» - Ein Ex-Hells Angel packt aus

Von Martin Klostermann 09.06.2010, 06:31
«Höllenritt - Ein deutscher Hells Angel packt aus»: Allein in der ersten Woche verkaufte sich der Insider-Bericht von Ulrich Detrois, ehemaliges Führungsmitglied der Rockergruppe Hells Angels in Deutschland, 50 000 Mal.
«Höllenritt - Ein deutscher Hells Angel packt aus»: Allein in der ersten Woche verkaufte sich der Insider-Bericht von Ulrich Detrois, ehemaliges Führungsmitglied der Rockergruppe Hells Angels in Deutschland, 50 000 Mal. dpa

Berlin/dpa. - Ein Ex-Mitglied der Rockergruppe Hells Angels schreibt ein Buch.Allein in der ersten Woche verkauft sich der Insider-Bericht 50 000Mal. Der Autor muss um sein Leben fürchten. Für die Hells Angels giltes als Hochverrat, wenn einer auspackt.

Die deutschen Rocker haben ein Image-Problem. Vorallem Hells Angels und Bandidos sorgen mit Straftaten fürSchlagzeilen. Die Klubs versuchen nicht selten, das Bild in derÖffentlichkeit zu korrigieren. So distanzierten sich kürzlich führende Köpfe von Hells Angels und Bandidos in einem «stern»-Interview von illegalen Aktionen.

   Ulrich Detrois, ehemaliges Führungsmitglied der Hells Angels inDeutschland, packt nun in seinem Buch «Höllenritt» aus. Das Bild, dasder «Bad Boy Uli» genannte Aussteiger zeichnet, hat nichts mitMotorradromantik zu tun. Detrois gibt Einblick in eineParallelgesellschaft, in der es vor allem um Macht, Geld und Gewaltgeht.

   Der 52-jährige Hesse, er trägt lange Haare und viele Tattoos, war«Bordellbesitzer, Drogendealer Türsteher und Inkasso-Mensch». Ausgeschäftlicher Sicht konnte es «nur gut sein», Rocker zu werden,schreibt Detrois über seine frühere Entscheidung. In den 90er Jahrenwar er zunächst Mitglied der «Bones» in Kassel, die dann um dieJahrtausendwende von den Hells Angels übernommen wurden.

   Seinen ehemaligen Klub beschreibt er als eine weltweit operierendeOrganisation - vernetzt, straff organisiert und nach außen sehr gutabgeschirmt. Die Hells Angels verkauften, schreibt Detrois, ihrenNamen und ihre Symbole wie ein Sportartikelhersteller. Untereinanderwerde mit T-Shirts, Gürtelschnallen und Aufnähern für die «Kutten»gehandelt.

   Aber bei den Hells Angels gehe es eben auch um schwersteVerbrechen, schreibt der Autor. «Jedes Jahr werden Mordaufträge auchan deutsche Mitglieder weitergegeben.» Einmal habe ihm ein deutscher«Bruder» einen Eimer mit zwei verwesenden menschlichen Köpfengezeigt, schreibt er. Für Mitglieder, die Probleme mit der Justizhaben, gebe es eine spezielle Kasse, aus der Anwalts- undGerichtskosten bezahlt würden.

   Den kürzlich geschlossenen Frieden zwischen den deutschen HellsAngels und Bandidos nennt Detrois «Augenwischerei». Die illegalenGeschäfte, die Machtfülle der Klubs, würden bestehenbleiben. EinVerbot hält der Ex-Rocker zwar für schwierig, aber für sinnvoll, «umdie Öffentlichkeit zu schützen, weil immer irrer wird». Soverzeichneten die Klubs großen Zulauf - die Mitgliederzahlen hättensich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt.

   Dass Detrois so offen redet, ist außergewöhnlich. 2007 haben ihndie «Brüder» seinem Bericht zufolge aus dem Klub geschmissen. «BadBoy Uli» sagt, es sei eine Intrige gewesen. Ein Führungsmitglied derHells Angels nennt als Grund in dem «stern»-Interview einen Deal mit30 Kilo Koks. Detrois kontert, «damit habe ich nichts zu tun, diebeiden Dealer wurden rechtskräftig verurteilt und das Verfahren gegenmich wurde eingestellt».

Der Aussteiger führt einen weiteren Grund für seinen Gang an dieÖffentlichkeit an: Als die Hells Angels seine Schwester bedrohthätten, habe er etwas getan, was ein Hells Angel eigentlich niemalstut - er ging zur Polizei.

   Kurz darauf habe ihn die Polizei darüber informiert, dass dieehemaligen Kumpel seinen Tod wollten, berichtet Detrois. Bei einemTreffen der deutschen Führungsriege in Frankfurt habe man zweirussischen Killern ein Kopfgeld ausgezahlt. Danach sei er zeitweisebeschützt worden wie die Bundeskanzlerin, meint er. «Sicherheitsstufe1, gepanzerte Limousinen, es ging mit sechs Leuten in den Edeka unddraußen stand noch einer vor der Tür.» Die Polizei dürfte nichterfreut darüber sein, dass solche - und andere Details - nun in demBuch veröffentlicht werden.

   Inzwischen habe er keinen Personenschutz mehr, sagt der ehemaligeHells Angel, «ich bin ein Einzelkämpfer, versuche mit der Bedrohungso gut wie möglich umzugehen». Er ist zornig, dass die Behörden inSachen Mordauftrag nichts unternähmen.

   Die Buch-Veröffentlichung, die Interviews, die er zurzeit gibt,all das biete ihm keinen Schutz. Im Gegenteil: Detrois geht davonaus, dass ihm die Hells Angels jetzt erst recht nach dem Lebentrachten: «Im Zusammenhang mit dem Buch wird vom Ausland aus nunDruck aufgebaut. Sie müssen handeln, denn so etwas darf nicht wiederpassieren und es muss ein Fanal gesetzt werden. Damit alle, die nachmir kommen, eindrucksvoll gewarnt werden, je wieder etwas gegen dieHells Angels in der Öffentlichkeit zu sagen.»

   Und wenn sie ihn erwischen? «Ich habe mein Leben in vollen Zügengenossen», sagt Detrois. «Wir sehen uns auf meiner Beerdigung.»