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Literatur Literatur: Einziges Tagebuch von Anna Seghers veröffentlicht

13.11.2003, 07:10
Die Schriftstellerin Anna Seghers an ihrem 80. Geburtstag am 19.11.1980 in Berlin. (Foto: dpa)
Die Schriftstellerin Anna Seghers an ihrem 80. Geburtstag am 19.11.1980 in Berlin. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Rückhaltlose Auskünfte über sich selbst finden sich in einem erst 20 Jahre nach dem Tod erstmals veröffentlichten Tagebuch von Anna Seghers («Das siebte Kreuz»). Die späte, von der Literaturwissenschaft als einzigartig bezeichnete Entdeckung im Nachlass der Schriftstellerin (1900-1983) trägt den Titel «Und ich brauch doch so schrecklich Freunde». Die Aufzeichnungen umfassen die Zeitspanne vom 15. November 1924 bis zum 26. Mai 1925 und sollten das einzige von Seghers geführte Tagebuch bleiben.

Netty Reiling, wie sie mit Mädchennamen hieß, hatte ihr Studium gerade mit der Promotion abgeschlossen. Sie war entschlossen, auch gegen den Willen ihrer Eltern, ihren gleichaltrigen Studiengefährten Laszlo Radvanyi zu heiraten, den sie innig liebte. Für sich hatte sie den Weg zur Schriftstellerin gewählt, dessen Mühsal sie in Depressionen stürzt.

Das Tagebuch sei nicht für eine Veröffentlichung, sondern für sich und Rodi, wie sie ihren zukünftigen Mann nannte, bestimmt gewesen, schreibt Christiane Zehl Romero in einem Nachwort. Die in den USA lehrende Literaturwissenschaftlerin ist Autorin der ersten umfassenden Biografie über Leben und Werk von Seghers. Das Tagebuch, ein «einzigartiges Dokument», vermittle «Einblick in Gefühle, Hoffnungen, Ängste und den Alltag einer sonst für dergleichen verschlossenen Autorin», so Herausgeberin Zehl Romero. Zu keiner späteren Zeit habe Seghers mehr «so rückhaltlos» über sich gesprochen.

Zusammen mit den Tagebuchnotizen erschien ein ebenfalls bisher unbekannt gebliebener Text: «Die Legende von der Reue des Bischofs Jean d'Aigremont von St. Anne in Rouen». Die Arbeit an der Erzählung lässt sich anhand des Tagebuchs verfolgen.

Seghers, eine der bedeutendsten Erzählerinnen des 20. Jahrhunderts, hatte nach den Jahren im Exil, wohin sie mit ihrer Familie vor den Nazis geflüchtet war, Ost-Berlin zur neuen Heimat gewählt. Von 1952 bis 1978 stand sie an der Spitze des DDR- Schriftstellerverbandes.

(Anna Seghers: «Und ich brauch doch so schrecklich Freunde», Aufbau- Verlag, Berlin, 111 Seiten, Euro 15,90, ISBN 3-351-03469-2)