Literatur Literatur: Dramatiker Wolfgang Bauer gestorben
Graz/Wien/dpa. - Der Autor erlag vermutlicheinem Herzleiden. Sein Werk wurde in mehr 24 Sprachen übersetzt undin 35 Ländern aufgeführt. Es umfasst neben Dramen und Gedichten auchden Roman «Fieberkopf», Kurzprosa, Essays, Kritiken, Filme undFernsehstücke.
Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel meinte zum Tode desSchriftstellers am Wochenende, Bauers Tod bringe «eine dergewichtigsten Stimmen der österreichischen Nachkriegsliteratur zumVerstummen». Bauer sei ein «Motor der literarischen Avantgarde inÖsterreich» gewesen. Der österreichische Schriftsteller Peter Handkenannte Bauer «in jungen Jahren das einzige Genie in Österreich».
Bauer galt in den frühen 60er Jahren als Bürgerschreck undAnarchist. In seiner Heimatstadt Graz trat er erstmals im «ForumStadtpark» auf den Plan, der Wiege der österreichischen Dichter-Avantgarde. Doch der Durchbruch kam erst auf dem Umweg überDeutschland. 1968 schockierte Bauers Drama «Magic Afternoon» bei derUraufführung in Hannover Publikum und Kritik. Nach wenigenerfolgreichen Jahren an internationalen Theatern aber wurde es stillum den früheren «Realismus-Schocker».
Anarcho-Dichter, surrealer Esoteriker, Nestroy der Beat-Generation - das waren Einordnungen, die Bauer charakterisierensollten. In «Magic Afternoon» und dem Nachfolge-Erfolg «Change»zeichnete der junge Autor ein tristes Bild seiner Generation, dashart mit deren revolutionärem Selbstverständnis kontrastierte. DerProtest versickerte danach in Ziellosigkeit, die Jugend verlor sichim Leerlauf, übrig blieben Sex und Gewalt. In provokativ ruppigerSprache schlug Bauer bei seiner Darstellung einen neuen, oft insPlumpe gehenden, satirischen Ton an.
In den 70er Jahren war er in deutschsprachigen Theatern mit seinenStücken und als Regisseur präsent. Doch seit den 80er Jahren, als erseine surrealen Ansätze verstärkte, verschwanden seine Stücke fastvon den Spielplänen. Sein letztes Stück «Foyer» war im vergangenenJahr beim Grazer Festival für Gegenwartskunst «steirischer herbst»uraufgeführt worden.
Neben Dramen verfasste Bauer auch Hör- und Fernsehspiele,Drehbücher und Gedichte. Er wurde unter anderen mit dem Peter-Rosegger-Literaturpreis (1970) und dem Großen ÖsterreichischenStaatspreis für Literatur (1995) ausgezeichnet.
Handke sagte, Wolfgang Bauer sei «in jungen Jahren das einzigeGenie in Österreich» gewesen. Mit seinem immer surrealistischerwerdenden Werk habe der Autor dann aber «vielleicht zu sehr das Geniegesucht und noch erreichen wollen. Und das war fast tragisch»,urteilte der in Paris lebende Handke am Samstag laut derösterreichischen Nachrichtenagentur APA. Der GrazerSchauspieldirektor Matthias Fontheim meinte, mit ihm verliere dieTheaterwelt «einen der wichtigsten österreichischen Dramatiker derNachkriegszeit». In Graz waren viele von Bauers Stücken aufgeführtworden.
Schriftsteller Gerhard Roth würdigte Bauer als «Mensch, der dieIdeologien abgelehnt hat, weil sie ihm die Sicht auf die Existenzverstellt haben». Er sei «seinen ganz eigenen, persönlichen Weg inder Literatur gegangen, ohne sich von Erfolg oder Misserfolgbeeinflussen zu lassen. Er hat das realistische Theater auf einenHöhepunkt gebracht und Ansätze für ein neues Theater gefunden, daserst später nach seinem Tod zu entdecken sein wird.»
Sein späteres Werk mit den zunehmend surrealen oder fantastischenStücken sei «vom Theater bislang nicht entsprechend verstanden undgewürdigt worden», meinte Roth. «Es ist möglich, dass man dasGelächter, das in diesen Stücken zu hören ist, von einem Lebendenweniger annimmt, als wenn es aus dem Totenreich kommt.»