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Literatur Literatur: Buschs Lausbuben verübten mehr Streiche als angenommen

Von Ulf Vogler 13.06.2008, 15:38
Die zur Verfügung gestellte Reproduktion zeigt eine bisher unbekannte Zeichnung von Wilhelm Busch. Erstmals seit dem Tod von Wilhelm Busch vor 100 Jahren ist eine Original-Bildergeschichte des berühmten Zeichners und Schriftstellers entdeckt worden. (Foto: dpa)
Die zur Verfügung gestellte Reproduktion zeigt eine bisher unbekannte Zeichnung von Wilhelm Busch. Erstmals seit dem Tod von Wilhelm Busch vor 100 Jahren ist eine Original-Bildergeschichte des berühmten Zeichners und Schriftstellers entdeckt worden. (Foto: dpa) Verlagsarchiv J. E. von Seidel

Sulzbach-Rosenberg/dpa. - Als die Mutter kurz dieKüche verlässt, steigt der Junge auf einen Stuhl, nascht von demfrisch gemachten Teig und plumpst prompt in den großen Trog.Hinterher wird der Bub von den Eltern aus dem Teig gezogen, von derMutter mit einem Besen gereinigt - während der Vater schon einmal dieRute für die Strafe vom Schrank holt.

Nachdem die 145 Jahre alten Skizzen mit dem Titel «Der Kuchenteig»jetzt in einem historischen Druckereiarchiv in Sulzbach-Rosenberg(Bayern) aufgetaucht sind, konnten die Experten des Wilhelm-Busch-Museums in Hannover kaum glauben, was sie sehen. «Bei uns war dasErstaunen groß», sagte die Kunsthistorikerin des Museums, RuthBrunngraber-Malottke, am Freitag bei der erstmaligen Präsentation derBusch-Geschichte. Es sei einzigartig, dass damit nun ein Vorläuferdes sechsten Streichs von «Max und Moritz» existiere. «Busch hatstets alle Vorzeichnungen vernichtet.»

Der Stadtarchivar von Sulzbach-Rosenberg, Johannes Hartmann, warAnfang des Jahres auf die Zeichnungen in den Akten der historischenSulzbacher Verlagsdruckerei Seidel gestoßen. «Der Umschlag mit derGeschichte war völlig zusammenhanglos in einem Karton, es gab keinenHinweis auf Busch», erklärte der Entdecker.

Offenbar hatte Busch (1832-1908) die Bilder im Jahr 1863 ohnekonkreten Auftrag dem Verlag angeboten. Doch das Unternehmen Seidel,das damals zahlreiche Kalender produzierte, druckte die Geschichtenie. Der Grund dafür ist unbekannt. Brunngraber-Malottke kann sichvorstellen, dass es keine Einigung über das Honorar gab oder derVerlag inhaltliche Bedenken hatte. «Es war damals nicht üblich, dassman aufmüpfige Kinder zeigt.» Auf jeden Fall verwendete Busch dasMotiv dann für seinen berühmten Klassiker «Max und Moritz» nocheinmal.

Die Bildergeschichte blieb nur deswegen im Original erhalten, weilsie nicht wie üblich an den Autor zurückgeschickt wurde.Normalerweise ließ der Künstler sich alle Werke wieder aushändigen,fertigte Holzschnitte davon und warf die Zeichnungen weg. Vom 21.Juni bis 9. November werden die Blätter nun in einer Ausstellung überden Verlagsgründer Seidel im Sulzbach-Rosenberger Stadtmuseumöffentlich gezeigt, im Ausstellungskatalog wird die Busch-Geschichteerstmals gedruckt zu sehen sein.

Als die Fachleute des Museums von den Bildern erfuhren, dachtensie zuerst an eine alte Nachzeichnung aus der Feder eines Busch-Liebhabers. «Das wird uns häufiger vorgestellt», erklärteBrunngraber-Malottke. Die Untersuchung der zehn kleinformatigenSkizzen habe dann aber keinen Zweifel daran gelassen, dass es sich umdie erste neu entdeckte Busch-Geschichte seit dem Tod des Zeichnersund Schriftstellers vor 100 Jahren handelt.

Die Linienführung, der Handlungsablauf, die Mimik der Figuren unddie «unverkennbare Moritz-Tolle» des Buben seien typisch für denKünstler, sagte sie. Zudem handele es sich um das von Buschbevorzugte Papier und einen der üblichen Bleistifte der Stärke HB.«Buschiger geht es eigentlich nicht», meinte die Kennerin. Sie glaubtnicht, dass jemals wieder etwas Vergleichbares entdeckt wird.

Mit den Busch-Zeichnungen schreibt Sulzbach-Rosenberg erneut einkleines Stück Literaturgeschichte. Schließlich hat die 20 400-Einwohner-Stadt bereits seit 1977 im ehemaligen Amtsgericht einbedeutendes Literaturarchiv. Damals hatte der renommierte KritikerWalter Höllerer seine Dokumentensammlung seiner Heimatstadt vermacht.Daher kann in dem Archiv sogar die Erstfassung der «Blechtrommel» vonGünter Grass bewundert werden. Dass nun künftig auch Busch mit derOberpfälzer Stadt in Verbindung steht, sei dennoch überraschend,meinte Brunngraber-Malottke. Allerdings fiel ihr zu dem Zufallsfundauch gleich das passende Zitat des großen Meisters ein: «Stets findetÜberraschung statt - Da, wo man's nicht erwartet hat.»