Literatur Literatur: Auf die «Feuchtgebiete« folgt der «Fleckenteufel»
HAMBURG/DPA. - Diesmal geht es um die Freudenund Leiden des pubertierenden Thorsten, um seine homoerotischenFantasien, sein Verlangen nach der einen «Göttlichen» namens SusanneBohne - und ausführlich um seine Verdauungsprobleme. Doch wer dasneue Werk des Autors, der für den Mix von Humor und Melancholiebekannt ist, mit seinem Bestseller «Fleisch ist mein Gemüse»vergleicht, wird enttäuscht.
August 1977: Der 16-jährige Spätzünder Thorsten fährt mit dem Buszur evangelischen Sommerfreizeit nach Scharbeutz an die Ostsee. Mitdabei: Ein verkorkstes kirchliches «Dreigestirn» aus Pastor, Diakonund Gemeindehelfer und jede Menge Jugendliche im Dauer-Hormonrausch. Nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht mehr Kind und nochnicht erwachsen: So fühlt sich auch Thorsten, dem seiner kleinerWuchs zu schaffen macht und der im Zelt, am Strand und auf dem Kloununterbrochen von sexuellen Gefühlen getrieben wird.
Wunderbar sind die skurrilen Gegensätze auf der kirchlichenFreizeit, die Strunk in seinem Taschenbuch beschreibt: HierLagerfeuer mit Würstchen und «We shall overcome»-Gesängen (passenddazu der T-Shirt-Aufdruck: «Jeder Christ ist Gitarrist»), dortschwitzend und aufgeregt Engtanz zu «Angie» von den Stones. HierHagebuttentee und «schlimme Augenwurst» zum Frühstück, dort Apfelkornfür die Jungs und Persico für die Mädels zum Lockermachen. HierHermann Hesses «Siddhartha» im Gepäck, dort Schlüpfriges von CharlesBukowski.
Doch über weite Strecken des Romans geht es bis ins letzte Detailum eklige «Vorboten von Sturzdurchfall» und andere Darmprobleme,Gerüche im Intimbereich oder Ausdünstungen Erinnerungen anCharlotte Roches provokanten Bestseller «Feuchtgebiete» werden wach.Letztlich fehlt in «Fleckenteufel» die ausgewogene Mischung vonSprachwitz, Trash und nachdenklichen Zwischentönen, die Strunkserstes Buch «Fleisch ist mein Gemüse» auszeichnete. Es wurde verfilmtund war Vorlage für ein Hörspiel und eine Operette.
«Fleisch ist mein Gemüse», eine Art Landjugendgeschichte um dieAuftritte einer Tanzband Mitte der 80er Jahre in der norddeutschenProvinz, ist stark biografisch gefärbt. In seinem zweiten Buch «DieZunge Europas» beschreibt Strunk, der auch Musiker und Comedian istund eigentlich Mathias Halfpape heißt, sieben Tage im Leben einesfrustrierten Gagschreibers. Spiegelt sein drittes Buch Teile seinesLebens wider? Er sei zwar auf einer Kirchenfreizeit gewesen, so derAutor, doch das meiste in diesem Buch sei ausgedacht.
Heinz Strunk: FleckenteufelRowohlt Verlag, Reinbek224 S., Euro 12,00 EuroISBN 978-3-499-25224-2