1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Line Dance: Line Dance: Immer strikt auf Linie

Line Dance Line Dance: Immer strikt auf Linie

Von MARGIT BOECKH 19.08.2011, 20:21

Teutschenthal/MZ. - A step, a hook, a clap and - yeah!".So schnell und präzise wie die blauen Bohnenaus dem Colt eines Westernhelden kommen dieKommandos. Im Takt knallen Westernstiefelhackenauf die Dielen. Einen Schritt, einen Haken,ein Händeklatschen und ein "Yeah" hat derMann befohlen, der hier den Ton angibt.

Der quirlige blonde Typ mit Bart wirkt ehergemütlich. Als Tanzmeister jedoch hat er dieTruppe fest im Griff. Das runde Dutzend Männerund Frauen jedenfalls folgt seinen Befehlenexakt und konzentriert. Damit ja kein Schrittdaneben geht. Alles auf Linie heißt die Devise,wenn die "Flying Boots" ihrem Hobby frönen- dem Line Dance.

Dass sie dabei ihrem Namen alle Ehre machenund ihre Westernstiefel nur so fliegen lassen,ist unschwer zu sehen. Bei einem ihrer Auftritteim Kosmos der Country-Fangemeinde, bei Volksfesten,gerne auch mal als Extra einer privaten Feier.Zum Training treffen sie sich jeden DonnerstagAbend um sieben in der Broihanschenke, einemhistorischen Gasthaus im äußersten Süden vonHalle. <$7>Das historische Gasthaus im äußerstenSüden von Halle wird gerade renoviert. DochBraugewölbe und Saal kann man mieten. Unddonnerstags lassen die "Boots" die Dielenbeben. Westernflair am Rande der Stadt! Dakommt so leicht keiner drauf, so verwunschenwirkt diese Ecke.Von hier blickt man insendlose Grün der Auenlandschaft, durch diesich die Weiße Elster schlängelt.

Wäre da nicht die helle Rauchfahne in derFerne - man könnte glatt vergessen, dass dieGegend vor 20 Jahren mit all ihrem Industriesmogzu den verrufensten im ganzen Lande gehörte.Zeiten, in denen so amerikanisches Zeug wieCountry Music und Line Dance auf dem Klassenkampf-Indexstand. "Da wusste ich ja auch noch nicht,was das überhaupt ist", erinnert sich HeikoLattner. Das ist der bärtige Chef der Truppe."Ich habe schon immer gern getanzt, alle Diskosmitgenommen. Dann habe ich was von einer Countrykneipein Halle gehört, wo sie Line Dance machen.Da bin ich einfach mal hin." Hingegangen -und Feuer gefangen! "Ich habe gleich mitgemacht.Seither ist das wie eine Sucht", strahlt derjugendliche Fünfziger.

Das Lokal von damals ist lange geschlossen.Für Heiko jedoch bleibt es ein schicksalsträchtigerOrt. Denn da hat der damals allein erziehendeVater zweier Töchter gleich zwei mal Feuergefangen. Beim Line Dance und auch bei derhübschen Heike. Die ist jetzt lange seineFrau, zwei Mädchen kamen noch dazu, inzwischengibt es schon zwei Enkeltöchter. "Leider tanztsie nicht", bedauert Heiko, "aber sie lässtmich." Da hat sie wohl auch ein weites, goldenesCountryherz. Denn was der gelernte Tischlerneben seinem Hausmeister-Job da als Hobbybetreibt, ist schon fast ein Vollzeit-Job.Der fordert Zeit und Raum. Was heißt: EinZimmer in der gemütlichen Wohnung ist Tabu-Zone.Keiner darf stören, wenn er hier am Computerin seiner Welt versinkt. Die Internet-Seiteseiner "Flying Boots" betreut, sich mit dervielfach verzweigten Line Dance-Gemeinde inaller Welt austauscht, Veranstaltungen, Termine,die News der Szene checkt. Und nicht zuletztauf Youtube Lernvideos für immer neue Tanzvariantenins Netz stellt. Über 300 bisher, nicht wenigesind von ihm selbst choreographiert. Danachschwingen sie die Boots sogar schon in Frankreichund den USA, wie er stolz vermerkt.

Das ist sozusagen der theoretische Teil, malganz abgesehen von der Organisation, den Finanzenwie Saalmiete und Gema-Gebühren, der Koordinationder Termine. Fürs Praktische ist Heiko Lattnerso gut wie jeden Abend und noch manches Wochenendeunterwegs. Zweimal die Woche das Trainingmit den "Boots", an anderen Tagen pflanzter das Line Dance-Fieber in die Herzen undFüße von Schülern oder auch Rentnern. An denWochenenden ist so gut wie immer irgendwocountrymäßig was los. Da dürfen die Line Dancernicht fehlen. Vor allem, weil man da anderetrifft, die diesem Tanzfieber genauso verfallensind. Und mit denen man gleich loslegen kann."Wenn die Tänze angesagt werden, kennt jederdie selben Schritte. Da sind manchmal 500Leute auf einer Fläche und alle im Takt",sagt Heiko Lattner. Es muss ein tolles Wir-Gefühlsein, von dem er so schwärmt.

Zu spüren ist das auch, wenn man den Männernund Frauen zuschaut. Natürlich passen siehöllisch auf, dass die Schritte sitzen. Dochwenn sich einer mal vertanzt, ist es auchnicht so schlimm. Dann gilt: "Nach oben guckenund lächeln", verrät Bettina Hinz einen Trick."Bloß nicht bei anderen auf die Füße sehen,dann ist man gleich raus." Extra aus Naumburgkommt die gelernte Bahn-Fachfrau, die jetztals Gärtnerin arbeitet. Ihre 22-jährige TochterMandy reist zum Training aus Magdeburg an.Bei einem Workshop hatten sie Heiko kennengelernt. Die Mutti wollte eigentlich nur "dasKind fahren" - doch sie ist inzwischen genauso dabei wie Vater Jens und die achtjährigeMadeleine. Warum? "Die Musik ist toll, dieBewegung, der Kontakt mit den anderen", meintFrau Hinz.

Das sieht auch Andreas Zager so. "Ich hattemit meiner Frau ein gemeinsames Hobby gesucht.Line Dance ist genau das Richtige für uns",schwärmt der Endvierziger, der für eine großeBrauerei viel unterwegs ist und als Hobbyfotografdie Youtube-Filmgalerie der "Boots" bestückt."Aus dem Alltagstrott rauskommen, Bewegunghaben und das noch in so einer tollen Truppe- das ist es!". "Die anderen, das sind jetztschon Freunde", pflichtet ihm Cornelia Herrmenaubei.

Die Mittvierzigerin wohnt im Saalekreis-OrtMorl und ist als Fachberater die ganze Wocheunterwegs. "Da ist der Line Dance-Abend fürmich Entspannung. Wenn ich mal nicht zum Trainingkommen kann, bin ich traurig."

Das geht hier wohl allen so in dem bunt gemischtenTrüppchen. Die da über die Tanzfläche tobensind zwischen 20 und über 60, Lehrer, Erzieherin,Elektriker, Makler, Selbstständige . . . "Beiuns ist es eben familiär, so wie in der ganzenLine Dancer-Szene", kommentiert Heiko. Werirgend kann, ist dabei. So wie dieses Wochenendein Teutschenthal. "A step, a hook..." -voll auf Linie und Spaß dabei!