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"Lichtblick" von Haudegen "Lichtblick" von Haudegen: Kumpelduo rockt mit neuem Album

Von Steffen Könau 28.11.2015, 13:23
Hagen Stoll und Sven Gillert sind die zwei Haudegen.
Hagen Stoll und Sven Gillert sind die zwei Haudegen. Warner Lizenz

Sie waren die raue Schale mit dem weichen Kern, zwei tuffige Riesen mit tätowierten Händen, denen man erst nicht im Dunkeln begegnen wollte. Wenn man sie aber doch getroffen hatte, wusste man, was für ein Glück das gewesen war. Wo Hagen Stoll und Sven Gillert standen und sangen, hatte das Böse keine Chance mehr, ein allgemeines Kumpelgefühl befiel die Menschen, alle waren Brüder und Schwestern, vereint in großen Hymnen wie „Flügel & Schwert“ oder „Ein Mann, ein Wort“.

Nach langen Jahren der Suche waren die beiden schwergewichtigen Sänger, die sich Haudegen nennen, auf einmal Stars. Ausverkaufte Konzerte, Hitparade, Fernsehen. Stoll und Gillert, die ihre ersten Lieder als Hartz-IV-Empfänger geschrieben hatten, schafften es dennoch, dem Debütalbum „Schlicht & Ergreifend“ mit „En Garde“ ein mindestens ebenso starkes Nachfolgewerk hinterherzuschieben. Danach ging Stoll, ehemals als Joe Rilla eine Art Ostberliner Gangsta-Rapper und bei Haudegen der primus inter pares, mit Soloalbum auf Solo-Tour.

Rock verdrängt Balladen

Und nun sind sie wieder da, alle beide zusammen und mit einem „Lichtblick“ in dunklen Zeiten im Gepäck. Das Überraschende an den 16 neuen Songs ist die Vehemenz, mit der das Duo neuerdings rockt. Waren die ersten beiden Platten der seit kurzem vollbärtigen Berliner noch geprägt von gefühligen Balladen, in denen die kräftigen Riesen ihre sanfte Seite zeigten, regiert hier nun eine gnadenlose E-Gitarre. Rock ist das Gebot der Stunde, deshalb wohl auch hatten sich Hagen Stoll und seine Musiker schon vor einem Jahr beim halleschen Verstärkerbauer Torsten Hedel nach besonders kräftigen Gitarrenamps umgeschaut. Bei „Die Rezession“ und „Ziemlich beste Freunde“ ist zu hören, dass die Haudegen auch Rock können. Augenzwinkernd reimen sie Richtung Hosen, Onkelz und Co., sie seien nicht jung, aber talentiert und überdies „echte Kerle, tätowiert“.

Die große Stärke dieser beiden Herzenshooligans ist ihre fehlende Angst vor einfachen Gefühlen und griffigen Parolen. „Zusammen sind wir weniger allein“, der Album-Opener, hat beides: Den leisen Anfang, die abgründige Melancholie und die Umarmung der Kuschelwärme zweier Zweizentnermänner, die einander mit feuchten Augen ansingen. Da musiziert Kommando Tränendrüse auf Augenhöhe mit dem Anhang. Und mit beneidenswertem Gespür für vernachlässigte Themen singen sie gleich auch noch eine Hymne für alle Tätowierten. „Du bist die Ewigkeit, du bringst Farbe in mein Leben, du bist die Angst und du bist der Schmerz“ heißt es in „Unter die Haut“, der die sozialen Netzwerke erzittern ließ, weil viele Tattooträger auf „Gefällt mir“ klickten. Verständlich, weil: So lebensnah spielt und klingt keine andere deutsche Rockband zur Zeit. Die beiden Haudegen aus dem Plattenbau machen den etablierten Stars klar, dass es nicht unmöglich ist, authentisch und erfolgreich zugleich zu sein. Ein echter Lichtblick.