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Leuchtreklame Leuchtreklame: Die Nacht, die Lichter

Von CHRISTIAN EGER 24.09.2010, 17:17

HALLE/MZ. - Es war nicht alles...? Dunkel! Denn zur Nacht gingen vor 1989 auch im Osten Deutschlands die Lichter an. Und das, was da in Leipzig oder Berlin, Magdeburg oder Halle als Leuchtreklame von den Fassaden und Dächern strahlte, brauchte gestalterisch den europäischen Vergleich nicht zu scheuen. Es müssen ja nicht immer der Mercedes-Stern oder das Sparkassen-Logo blinken, "trixi Kinderbekleidung" (Berlin-Marzahn) oder "Milchbar Pinguin" (Leipzig) machen es auch. Oder ein Erbauungsslogan wie "Der Sozialismus siegt", 1968 auf dem Hochhaus am Pirnaischen Platz in Leipzig installiert und bereits 1987 heruntergeholt.

Klassiker der DDR-Leuchtreklame waren freilich ganz andere Signaturen, die in der Erinnerung noch immer dann aufblinken, wenn jemand in die Jahrzehnte vor 1989 zurückblickt. Das Leipziger Goethe-Sprüchlein "Mein Leipzig lob' ich mir" (2007 demontiert und eingelagert), die Leipziger "Löffelfamilie" (1973 installiert, 1993 zum Kulturdenkmal erklärt und 1999 saniert), nach wie vor das kreisrunde Signet auf dem Turm des Berliner Ensembles und allen anderen voran der Buna-Werbespruch "Plaste und Elaste aus Schkopau". Seinerzeit als ein dekoratives Mittel im Wirtschaftskampf in Höhe der Elbbrücke bei Coswig an einen Turm am Rand der Transitautobahn geschraubt. Das sollte dem Westler heimleuchten, aber nicht nur dem. Es funkelte auch in den Osten. Und es bleibt ein Rätsel, warum gerade diese 10,90 Meter hohe und 5,60 Meter breite, 1978 von der Firma Neontechnik Halle hergestellte Leuchtreklame nicht zum Kulturdenkmal erklärt, sondern abgenommen und teilweise ins Deutsche Historische Museum nach Berlin geschafft wurde. Aber noch ist nicht aller Nächte Morgen.

Am Anfang war der Sowjetstern

So ist es ein buchstäblich erhellendes Vergnügen, in dem vom Verlag Das Neue Berlin herausgegebenen Bildband "Plaste und Elaste - Leuchtreklame in der DDR" zu blättern. Das ist keine Nostalgie-Kladde, sondern ein kultur- und gesellschaftshistorisch auskunftsfähiges Werk. Das meiste, was da auf den Fotografien gezeigt wird, ist zwar von den Häusern, aber längst nicht aus der kollektiven Erinnerung verschwunden. Der können einige Fakten nur gut tun. Diese liefert das von Dietmar Kreutzer verfasste Vorwort auf so sachlich vorbildliche wie unterhaltsame Art.

Begonnen hatte das große Leuchten kurz nach Kriegsende. Bis Dezember 1945 wurden 22 000 Meter Neon-Leuchtröhren in Berlin hergestellt - auf Betreiben der Sowjetunion. Die Kommandanturen und Militärbehörden waren mit blinkenden Sowjetsternen zu bestücken. Ansonsten galt Lichtwerbung in den frühen DDR-Jahren als "Ausgeburt des Kapitalismus". Das änderte sich nach dem Aufstand von 1953. Mehr Konsum, Geselligkeit und Helligkeit sollten her.

Das "Metropol"-Theater und das Kabarett "Distel" erhielten Leuchtschriftzüge. Walter Ulbricht wollte die großen Städte aufhellen: Kampagnengleich rollte das Vorhaben Ende 1957 an. "Leipzig ist helle" wurde geworben. Ganze Lichtachsen durchzogen die Städte. Für den Willkommensgruß "Mein Leipzig lob' ich mir" waren allein vier Kilometer Leuchtröhren erforderlich.

Als ein Pilotprojekt galt 1974 die Erleuchtung des halleschen Boulevards, die höchsten Ansprüchen genügen sollte. Als die Klement-Gottwald-Straße zum 25. DDR-Jahrestag übergeben wurde, rutschte das Umfeld ins Dunkel ab. Die Peitschenleuchten der Magistrale nach Neustadt und andere Stromfresser wurden kurzerhand abgeschaltet. Thomas Jost, damals VEB Neontechnik Halle, wird zitiert: "Man befürchtete, die Energieversorgung könnte zusammenbrechen".

Nie geht das Licht aus

Großartig waren die Querelen um den immer wieder defekten Leuchtschriftzug am nach Walter Ulbricht benannten Pionierpalast in Dresden, den der Staatschef passierte, wenn er im Gästehaus auf dem "Weißen Hirsch" abstieg. Ende der 60er las er dort: "Pionierpalast alter Ulbricht". Kaum war der Schaden behoben, fielen andere Elemente aus. Am Tag darauf sah Ulbricht das: "Pionierpalast Walter bricht". Frank R. Müller, Neonanlagenbau Dresden: "Das führte zum sofortigen Abbau der Anlage und der Verfügung, dass Lichtwerbeanlagen künftig so zu schalten sind, dass keine sinnentstellenden Wortschöpfungen entstehen können."

Metropolensehnsucht der 50er, Neon-Boom der 60er, Energiekrise zu Beginn der 70er Jahre: Mehr als 15 Betriebe hielten die Lichtwerbebranche in Gang. Und darüberhinaus. Die Firma NEL Neontechnik, die 1999 die "Löffelfamilie" erneuerte, geht auf eine Gründung von 1958 zurück: die PGH Leuchtwerbung Leipzig. Von wegen, der Letzte macht das Licht aus.

"Plaste und Elaste. Leuchtreklame in der DDR": Vorwort von Dietmar Kreutzer. Das Neue Berlin, 128 Seiten, 14,95 Euro