1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Neue deutsche Härte : Letzte Instanz, In Extremo, Tanzwut und Feuerschwanz: neue Alben der Mittelalter-Bands

Neue deutsche Härte  Letzte Instanz, In Extremo, Tanzwut und Feuerschwanz: neue Alben der Mittelalter-Bands

Von Steffen Könau 27.08.2016, 04:30
Die Letzte Instanz aus Dresden wagt sich auf ihrem neuen Album „Liebe im Krieg“ an ganz große Themen.
Die Letzte Instanz aus Dresden wagt sich auf ihrem neuen Album „Liebe im Krieg“ an ganz große Themen. afm

Halle (Saale) - Ausgerechnet in Erlangen sehen sie es nicht ganz so verbissen. Feuerschwanz, die Band, die Peter Henrici alias Hauptmann Feuerschwanz vor zwölf Jahren gründete, benutzt zwar alle Inhaltsstoffe, die andere Metal-Mittelalterrocker in ihre Lieder rühren. Aber auch „Sex is Muss“, das inzwischen siebte Album der Band aus Franken, verrät schon im Titel, dass es Henrici und seinen Kollegen nicht vordergründig um den dunkelsten Weltentwurf, die längst Aneinanderreihung von Mollakkorden und die bösesten Sackpfeifen-Bässe im Universum geht. Sondern um puren Spaß, verkleidet in das, was als Mittelalterrock in den vergangenen paar Jahren zu einer Boombranche geworden ist.

Pioniere des brachialen Geigenrock

Zu verdanken ist das vor allem den bereits vor Jahren aufgelösten Inchtabokatables. Doch erst als die Pioniere des brachialen Geigenrock vor knapp 15 Jahren aufgegeben hatten, starteten ihre Erben richtig durch. In Extremo, Tanzwut, Corvus Corax, Feuerschwanz, Schandmaul, Letzte Instanz und Subway to Sally zählen heute zu den Größen im Geschäft mit der Mischung aus Rammstein-Rumms und Ritter-Rock, selbstgebauten Mittelalter-Instrumenten und modernen Pyrotechnik-Shows.

Harte Musik für harte Zeiten, wie das neue Letzte-Instanz-Album „Liebe im Krieg“ schon im Namen andeutet. Die Dresdner, vor 20 Jahren von Rico Schwibs unter dem Namen Resistance gegründet, haben viele Jahre nach ihrer Nische in der weiten Landschaft zwischen den Dudelsack-Hymnen von In Extremo und dem zum Hartmetall umgeschmiedeten Folkrock von Subway to Sally gesucht. Erzwungen von zahlreichen Personalwechseln wandelte sich der Stil des Sextetts immer wieder deutlich - bis nun mit „Liebe im Krieg“ ein mögliches Endergebnis erreicht ist.

Der kleine Zwilling der Mittelalter-Rocker Corvus Corax

Die 14 Songs haben den metallischen Geschmack, den die Fans lieben. Sie haben aber auch wieder den üppigen Geigensound, der viele alte Anhänger immer noch von früher schwärmen lässt. Dazu singt Holly Loose voller Seele - ein Gegenentwurf zum Klamaukrock von Feuerschwanz.

Auch Tanzwut, anfangs der kleine Zwilling der Mittelalter-Rocker Corvus Corax, haben sich längst vom einstigen Mutterschiff emanzipiert. Auf „Schreib es mit Blut“, Album Nummer 10 der Rockband mit Wurzeln in der DDR-Folkszene, entfernen sich Sänger Teufel und seine Mannen noch ein Stück weiter von Dudelsack und Drehleier. Nur im Hintergrund wird getrötet, vorn dagegen wird gerockt. Schwere Themen, schwere Akkorde und mörderliche Moritaten wie „Reiter ohne Kopf“, in denen Sänger Mike „Teufel“ Paulenz zeigt, warum er neben Eric Fish von Subway to Sally unter seinen Kollegen herausragt. Kaum einmal, dass das Sextett wie in der Ballade „Stille Wasser“, bei der Leaves-Eyes-Sängerin Liv Kristine mitsingt, die Gedankenschwere sausen lässt, damit es bedenkenlos krachen kann.

Exotische Überlebende setzen spannende musikalische Tupfer

Das Mittelalter, als musikalische Vorlage einst auf DDR-Volksfesten entdeckt, ist auch mit Hilfe von In Extremo erwachsen geworden. Wo früher Drehleier, Sackpfeife und Schalmei in verzweifelte Duelle mit E-Gitarren ritten, herrscht jetzt Arbeitsteilung. Die Gitarren erledigen, nicht anders als bei Toten Hosen oder Böhsen Onkelz, die Hauptarbeit. Die exotischen Überlebenden aus der Vergangenheit setzen spannende musikalische Tupfer - etwa dort, wo früher Männer mit E-Gitarren anfingen, ihre Saiten durch ein Solo zu quälen.

„Quid pro quo“, das zwölfte Album der acht Männer um Michael Robert Rhein, der sich Das Letzte Einhorn nennt, ist auch für Hörer von Korn und Tool hörbar. Zwischen dem rohen Folk von „Pikse Palve“, dem Märchenerzähler-Geflüster von „Lieb Vaterland“ und dem Hardcore-Versuch „Wenn das Licht angeht“ liegen musikalische Welten, die die Kollegen von Feuerschwanz, nie gesehen haben.

Ein Album wie ein Hammerschlag, das sich der Letzten Instanz nur in Sachen Bedeutungsschwere geschlagen geben muss. Die aber - seit dem Ausstieg von Gründungs-Gitarrist Holly D. nur noch zu sechst - zelebrieren eben neuerdings mit amerikanischer Selbstverständlichkeit das Pathos der großen Rock’n’Roll-Themen: Reisen und das Meer, die Liebe und der Krieg, Trauer, Schmerz und gebrochene Herzen, die als Stern zum Himmel steigen. Und gewinnen damit diesen Sängerkrieg.  (mz)

www.tanzwut.com, www.letzte-instanz.de, www.feuerschwanz.de, www.inextremo.de