1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Leipzigs Paulinerkirche vor 40 Jahren gesprengt

Leipzigs Paulinerkirche vor 40 Jahren gesprengt

Von Sophia-Caroline Kosel 29.05.2008, 09:36

Leipzig/dpa. - Mit dem überlieferten Ausspruch «Das Ding muss weg» besiegelte DDR-Staatschef Walter Ulbricht das Schicksal der Paulinerkirche in Leipzig.

Am Vormittag des 30. Mai 1968 wurde das dreischiffige Gotteshaus, in dem einst auch Reformator Martin Luther predigte, gesprengt. Die Kirche am Augustusplatz hatte nicht ins Bild der SED-Planer für ein modernes Stadtzentrum und zur 1953 in Karl- Marx-Universität umbenannten sozialistischen Hochschule gepasst. Während sich in wenigen Tagen die Sprengung jährt, entsteht gut sichtbar anstelle der zerstörten Kirche ein moderner Nachfolgebau, das Paulinum. Es soll zum Herzstück eines erneut modernisierten Universitätsgeländes - dem Nachfolger des sozialistischen Hochschulkomplexes - werden.

Die Paulinerkirche, zwischen 1488 und 1521 als Gotteshaus für ein Dominikanerkloster errichtet, war 450 Jahre lang geistig-geistliches Zentrum der Universität. Sie diente als Aula, Begräbnisstätte für Universitätsprofessoren und Domizil für akademische Feierlichkeiten. Luther predigte in dem Gotteshaus, Johann Sebastian Bach spielte als Universitätsmusikdirektor Orgel und für Felix Mendelssohn Bartholdy gab es 1847 in St. Pauli die Trauerfeier. Den Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg überstand das gotische Baudenkmal unbeschadet.

Mit der Sprengung der Kirche und des im Krieg beschädigten 132 Jahre alten Universitäts-Hauptgebäudes «Augusteum» wurde nicht nur Platz für schmucklose Neubauten - dem ersten «sozialistischen Universitätskomplex der DDR» - geschaffen. Auch die Geschichte der bürgerlichen Universität und zweitältesten Uni auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands sollte damit ausgelöscht werden. Schon 1953 war sie in Karl-Marx-Universität umbenannt und im gleichen Zug der Augustusplatz zum Karl-Marx-Platz geworden.

Ausgerechnet zu Himmelfahrt, am 23. Mai 1968, wurde die Sprengung des Gotteshauses offiziell beschlossen. «Eine Woche blieb Zeit, um das, was beweglich und entnehmbar war, herauszuholen», sagt Christian Winkler von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, der seine Dissertation dem Schicksal der Kirche gewidmet hat. Gerettet wurden kleine Orgel und Teile der großen Orgel, Altar, Kanzel sowie zahlreiche Epitaphien aus dem 16. bis 18. Jahrhundert - Denkmäler aus Stein, Holz oder Metall, die an Verstorbene erinnern.

«Einen offiziellen Bergungsplan gab es nicht, vieles musste schnell von der Empore geworfen werden», schildert Winkler. Das wertvolle kirchliche Inventar wurde in Kellern der Uni zwischengelagert. Der 500 Jahre alte Altar fand 1993 an Bachs Grab in der Thomaskirche einen würdigen Platz, die Epitaphien werden derzeit restauriert, die barocke Kanzel lagert noch in mehreren Einzelteilen in der Universität. Die Trümmer des Gotteshauses liegen in einer begrasten Grube nahe des Völkerschlachtdenkmals.

Zum 600. Jubiläum der Alma mater lipsiensis im kommenden Jahr entsteht anstelle der in Schutt und Asche gelegten Kirche ein modernes geistig-geistliches Zentrum mit Aula und Andachtsraum, das Paulinum. Um das neue Antlitz des Augustusplatzes und einen möglichen Wiederaufbau der Paulinerkirche war nach der Wende ein heftiger Streit zwischen Universität, Bürgern und Landesregierung entflammt. Mit dem Entwurf des Holländers Erick van Egeraat wurde schließlich ein Kompromiss gefunden. Der Neubau nimmt die Silhouette der zerstörten Kirche in moderner Gestalt auf, mit einer Fassade aus Stahl, Glas und Naturstein. Der Paulinum-Giebel ist bereits zu sehen.